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Hotels, Straßen, Gerichtsprozesse

Theodor Christomannos (1854 - 1911)

In Arthur Schnitzlers Tragikomödie „Das weite Land“ kommt ein Hotelier und Bergsteiger namens Dr. von Aigner vor. Vorlage für die Bühnenfigur, so schreibt Schnitzler in seinem Tagebuch, ist der Fremdenverkehrspionier Theodor Christomannos. Und er ist nicht die einzige interessante Person in dieser Straßengeschichte.

Der aus Stilfs stammende Josef Tschenett, ein entfernter Verwandter des Schriftstellers Herbert Rosendorfer, war ein Unikum.
Der gelernte Zimmermann führte ein rastloses Wanderleben. Wo es gerade Arbeit gab, war Jo­sef zugegen. Seine Leidenschaft aber galt einem mathematischen Problem – der Quadratur des Kreises. Wie kann ich nur mit einem Zirkel und einem Lineal aus einem Kreis ein flächengleiches Quadrat kons­truieren?
Obwohl schon damals bewiesen war, dass dies unmöglich ist, ließ er sich nicht davon abhalten. Die Gründe für seinen Enthusiasmus schienen auch finanzieller Natur zu sein, denn seine chronische Geldnot war allseits bekannt. Aus den Schwierigkeiten hatte er sich aber immer wieder mit seinen Berechnungen, Tabellen und Skiz­zen und dem Hinweis auf ein Preisgeld von mehreren Millionen Dollar, das er ohnehin schon so gut wie in der Tasche hätte, herausgeredet. Wissenschaftler, Politiker und Journalisten inte­ressierten sich für seine Ideen, doch davon konnte er nicht leben. Schon im November 1894 war er nach Welschnofen gekommen und wurde Zimmermannpolier beim Bau des Karersee-Hotels, für das er Teile der Pläne ausgearbeitet hatte. Eine treibende Kraft hinter dem Bau des berühmten Grandhotels war der eingangs erwähnte Christomannos.

Der Tourismus-Pionier
Theodor Christomannos, eine der schillerndsten Figuren in der Ti­ro­ler Tourismusgeschichte, wurde 1854 in Wien geboren. Wie sein Nachname schon erahnen lässt, stammte die Familie ursprünglich aus Griechenland. Als er seine Mutter zu einer Kur nach Gries begleitete, blieb er nach ihrer Abreise in Bozen. Er studierte daraufhin Rechtswissenschaften und war Mitglied einer schlagenden Studentenverbindung in Innsbruck. Bei einer Mensur, einem studentischen Fechtkampf, wurde seine rechte Hand verstümmelt, was den begeisterten Bergsteiger stark behinderte. Sein Betätigungsfeld war jedoch breit gestreut. Er war Rechtsanwalt, Vorstand der Sektion Meran im Alpenverein, Politiker im Tiroler Landtag und unermüdlicher Förderer des Tourismus. Er betrachtete es als Lebensaufgabe, das Südtiroler Verkehrsnetz auszubauen und das Land für reisendes Publikum zu erschließen. So setzte er sich für den Bau einer Straße nach Sulden ein, wo er mit dem Wiener Architekten Otto Schmid ein Hotel baute. Ein weiteres im benachbarten Trafoi folgte, ebenso die Große Dolomitenstraße, die Vinschgaubahn und das schon erwähnte Hotel am Karersee. Zudem warb er in zahlreichen Artikeln und Büchern für das Land.
Christomannos, der längere Zeit herzkrank war, starb 1911 in Meran im Alter von 56 Jahren. Hier ist ihm zu Ehren eine Straße in Obermais benannt.

Der Meraner Skandal
Er war, das brachte sicherlich sein Beruf mit sich, aber auch ein streitbarer Mann.
Die Lokalpresse verbrachte das ganze Jahr 1888 mit einem Skandal. In einem Prozess hatte Christomannos den Meraner Dekan Se­bastian Glatz in einer Erbschaftsangelegenheit belastet. Dieser verklagte ihn daraufhin wegen Ehrenbeleidigung. Wöchentlich gab es Neuigkeiten und Stellungnahmen zum Fall, zum Teil wurden ganze Gerichts­pro­to­kolle abgedruckt, und Leserbriefschreiber meldeten sich für und gegen ihn zu Wort.
Nachdem Christomannos zu 50 Gulden Geldstrafe oder 10 Tagen Ar­rest verurteilt wurde, ging er in Berufung und erhielt einstweilen sogar recht. In einem weiteren Rekurs wurde er allerdings erneut verurteilt, dieses Mal zu 20 Gulden oder 4 Tagen Arrest – trotz er­wiesenem Fehlverhalten des Geistlichen, aber mit der Begründung, er habe dem Dekan nicht „moralische Mitschuld“, sondern nur „moralische Hilfeleistung“ vorwerfen dürfen. Recht und Ge­rechtigkeit – manchmal eine Qua­dratur des Kreises.
Christian Zelger