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11. Juni 2021
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Hafling in Frauenhand

Traumhafte Landschaften, blühender Tourismus, starkes Handwerk, gesunde Landwirtschaft und seit 2020 die jüngste Bürgermeisterin Südtirols, Sonja Anna Plank. Aber: Corona hat auch hier vieles durcheinander gebracht.

von Philipp Genetti

Ein BAZ-Gespräch mit der Jungbürgermeisterin.

Frau Plank, auch Hafling hat bislang sehr unter der Coronakrise gelitten. Wie steht es um die Gemeinde?

Bürgermeisterin von Hafling: Sonja Plank

Sonja Plank: Hafling ist sehr stark vom Tourismus geprägt. Ein Bereich, der in der Corona-Pandemie besonders gelitten hat. Wir haben in Hafling zwei Saisonen. Nachdem die Gastbetriebe in der heurigen Wintersaison gar nicht arbeiten durften, mussten sie sich einer völlig neuen Herausforderung stellen. Ich denke, das war ein herber Schlag für die Touristiker am gesamten Tschögglberg. Insbesondere in einem Winter, in dem die Wetterlage geradezu ideal gewesen wäre. Dementsprechend war die Stimmung in den vergangenen Monaten auch sehr getrübt. Wenn es dem Tourismus längerfristig nicht gut geht, werden das bald auch andere Wirtschaftszweige zu spüren bekommen. Wir haben es in der Lebensmittelherstellung gesehen. Sobald die Nachfrage sinkt, kommt die Produktion ins Stocken und das wirkt sich dann auch auf die Preise aus.

Welche Themen stehen zurzeit in der Gemeindestube an?
Wir haben Corona bedingt schon letztes Jahr unseren Haushaltsüberschuss zurückstellen müssen, um einen möglichen Ausgleich für die erlassenen Gebühren in der Gemeinde schaffen zu können. Die Landesregierung hat zwar eine Stundung der Gemeindeabgaben beschlossen, aber wir wissen im Moment noch nicht, ob diese Gebühren schlussendlich doch noch bezahlt werden müssen. Deshalb sind wir als Gemeindeverwaltung, was die finanziellen Ressourcen anbelangt, noch sehr vorsichtig. Das bedeutet, wir geben zurzeit nur sehr wenig aus, dafür planen wir aber für die Zukunft. In diesem Zusammenhang stehen einige kleinere Projekte an, wie Umbauten am Gemeindegebäude, das in der derzeitigen Form nicht funktional ist. Längerfristig wäre der Plan ein neues Rathaus zu bauen. Allerdings wird sich das innerhalb dieser Legislaturperiode vermutlich nicht realisieren lassen. Unmittelbar geplant sind hingegen die letzten beiden Abschnitte im Glasfasernetz, beim „Locherweg“ und auf „Falzeben“. Außerdem haben wir in Bezug auf das Trinkwasser zwei größere Projekte vorliegen, die aufgrund der aktuellen Lage aber noch auf sich warten lassen müssen. Wir hätten noch einiges vor, aber wann und wie die Umsetzung erfolgt, hängt leider noch von den unmittelbaren Entwicklungen der Coronakrise ab.

Sie sind im vergangenen Jahr als Südtirols jüngste Bürgermeisterin in Ihr Amt gewählt worden. Was waren anfangs die größten Herausforderungen?
Ich denke, man versteht erst dann, was ein Bürgermeister leistet, wenn man selbst einmal in dieses Amt gewählt worden ist. Mir haben die Leute ganz oft gesagt: „Du warst ja schon im Gemeindeausschuss, dann ist die Arbeit als Bürgermeisterin eigentlich kein Problem mehr.“ Der Sprung vom Ausschussmitglied zum Bürgermeisteramt ist aber wesentlich größer, als man glaubt. Die größte Herausforderung liegt darin, dass man ständig in der Verantwortung steht. Man muss oft schnelle Entscheidungen treffen und ist eingeschränkter, als viele glauben. Auch die Schnelligkeit in der Bürokratie ist keine Begleiterscheinung der öffentlichen Verwaltung. Es bedarf deshalb insbesondere viel Geduld und Ausdauer für bestimmte Abläufe. Alles Herausforderungen, an denen man als Bürgermeisterin jedoch wächst.

Sie wurden nach der Wahl immer wieder von verschiedenen Medien gefragt, ob Sie sich als Frau benachteiligt sehen. Wie stehen Sie dazu?
Ich finde es fast schon diskriminierend, dass man als Bürgermeisterin von den Medien zum Teil ausschließlich zu diesem Thema befragt wird. Zu inhaltlichen Schwerpunkten wird man kaum angesprochen und wenn man dann nicht gerade eine passende Antwort parat hat, kommt man in einigen Artikeln gar nicht erst vor. Man muss sich als Frau, denke ich schon mehr unter Beweis stellen. Das ist vielleicht kulturbedingt. Aber so dramatisch benachteiligt wurde ich als junge Bürgermeisterin bis jetzt nicht. Ganz im Gegenteil. Sogar von meinen Vorgängern bin ich bislang überaus zuvorkommend und hilfsbereit begleitet worden.

Wie ist Ihr Interesse an der Politik entstanden?
Meine Tante hat einmal gesagt, ich sei ein Exot in unserer Familie, weil keiner von uns sonst so politisch aktiv ist. Ich bin deshalb auch nicht die klassische Politikerin, der sozusagen generationsübergreifend die „Partei-Mitglied­­karte“ überreicht worden ist. Ich habe mich aber bereits als Jugendliche sehr für Politik und Geschichte interessiert. Dabei haben mich vor allem die Zusammenhänge zwischen geschichtlichen Ereignissen und politischen Entscheidungen fasziniert. Weiteres bin ich jemand, der, wenn er ein Problem sieht, sofort nach Lösungen sucht und bereit ist auch selbst anzupacken.

Auf dem Weg zur Lokalpolitikerin gab es aber noch Zwischenstati­o­nen.
Ich habe nach der Matura Geschichte studiert und wollte in die Archiv- und wissenschaftliche Arbeit einsteigen. Ich bin aber dann in der Schule gelandet und geblieben, da mir die dortige Arbeit mit den Jugendlichen gut gefallen hat. Seitdem unterrichte ich Deutsch, Geschichte und Geografie an der Mittelschule Obermais. 2010 bin ich dann in den Gemeinderat von Hafling gewählt worden und so kam eines zum anderen.

Was hat Sie als Jungbürgermeisterin bislang am meisten begeistert?
Worüber ich wirklich sehr dankbar bin, ist, dass seit Beginn an keine größeren politischen Diskussionen aufgekommen sind. Wir sind im Ausschuss ein sehr gutes und kompaktes Team. Zwar sind im Gemeinderat unterschiedliche Standpunkte vertreten, aber die Zusammenarbeit untereinander ist sehr gut. Man spricht miteinander auf Augenhöhe und ist bereit gemeinsam Kompromisse zu finden. Was mich hingegen in der aktuellen Corona-Situation besonders beeindruck hat, war die starke Solidarität in der Gemeinde, insbesondere der unermüdliche Einsatz des Zivilschutzes.

Was hat Ihnen Haflings Altbürgermeister Andreas Peer mit auf den Weg gegeben?
Andreas Peer hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder als ein Bürgermeister erwiesen, der den Ausschuss auch mitgestalten und arbeiten ließ und uns weiterhin unterstützen wird bei Dingen, die während seiner Amtszeit genehmigt worden sind.

Bei der Realisierung des zweiten Bauloses des Mehrzweckgebäudes in Hafling haben Sie sich als Gemeinderätin stark gemacht. Worum ging es dabei?
Das Mehrzweckgebäude ist in der Planung bereits vor meiner Zeit im Gemeinderat entstanden. Im Zuge des zweiten Bauloses habe ich mich aber dann als Zuständige für Kultur und Bildung, was die Nutzung der Räumlichkeiten für die Jugendlichen anbelangt, besonders eingesetzt und ich war bei der Realisierung der neuen Bibliothek und der neuen Schule stark eingebunden. Diese Projekte wurden jeweils in enger Absprache mit den künftigen Nutzern verwirklicht. Ein Grundsatz, den bereits Altbürgermeister Peer in unserer Gemeinde geprägt hat. Im neuen Mehrzweckgebäude war bereits ein Jugendraum vorgesehen, allerdings wurden bei der Planung viele wichtige Aspekte der offenen Jugendarbeit nicht berücksichtigt. In Zusammenarbeit mit dem Jugenddienst Meran habe ich mich dann dafür eingesetzt, die Räumlichkeiten jugendfreundlicher zu gestalten. Das Ergebnis wird mittlerweile sehr gut von den Jugendlichen angenommen und genutzt.

Sie haben die zwei vorliegenden Trinkwasserprojekte angesprochen. Worum geht es dabei?
Bei den beiden Trinkwasserprojekten geht es einmal um Quellfassungen beim Oswald-Kirchlein. Hier befinden sich unsere Oswald- und Pitschalmquellen, die momentan recht oberflächlich sind und somit neu gefasst und aufbereitet werden müssen. Im Zuge dessen wäre das kilometerlange Wassernetz auszutauschen und zu erneuern. Das ist vor allem auch beim Abschnitt bis Falzeben der Fall. Bei Falzeben wäre dann noch die gesamte Wasserleitung im Oberdorf auszutauschen. An diese Leitung sind sehr viele Betriebe angeschlossen, jedoch ist ihr Bestand schon längst veraltet. Dementsprechend sind das sehr kostenintensive Projekte, die in den kommenden Jahren anstehen.

In Hafling-Dorf wird momentan fleißig gebaut.
Zurzeit wird in Hafling-Dorf der Dorfweg bis zur Feuerwehrhalle verbreitert, damit es einerseits im Verkehrsfluss nicht mehr zu Stockungen kommt und auch die Feuerwehr besser einsatzfähig ist. Gleichzeitig werden auch viele Leitungen in der Straße ausgetauscht. Auf der Höhe der Bushaltestelle wird hingegen der erste Abschnitt des Raumordnungsvertrages realisiert, den wir mit einem Privaten abgeschlossen haben, um endlich eine Nahversorgungsstelle in Hafling zu errichten. Hier entsteht aber nicht nur ein Lebensmittelgeschäft, sondern auch eine Restauration. Außerdem sollen die Bankfiliale und Post hierher übersiedeln – was zumindest der Wunsch von vielen Bürgern wäre – um die Dienstleistungen in der Gemeinde zu zentralisieren.

Was liegt Ihnen besonders am Herzen?
Mir ist vor allem wichtig, dass die Bevölkerung in die Projekte miteinbezogen wird. Ein Beispiel ist der Kinderspielplatz, wo die Kinder mitbestimmen können. Dass sozusagen der partizipative Aspekt weiterhin eine wichtige Rolle spielt. Die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung, die wir 2019 gestartet und im letzten Jahr abgeschlossen haben, sollen weiterverarbeitet werden und wo möglich auch umgesetzt werden.
Mit der Ferienregion „Hafling-­Vö­ran-Meran 2000“ ist der Tschögglberg ein beliebtes Tourismusziel. Doch auch ein rühriges Handwerk und Gewerbe ist in den Gemeinden Hafling, Vöran und Mölten vertreten.
Das Tschögglberger Handwerk steht für hohe Qualität und mit ihm auch das Haflinger Handwerk. Es ist in Hafling der zweitgrößte Arbeitgeber. Dabei handelt es sich vorwiegend um Familienbetriebe. Viele Betriebe haben sich in der Gewerbezone niedergelassen, die mittlerweile bereits eine Erweiterung nötig hätte. Zusammen mit den Handwerkern des Tschögglbergs ist es in den vergangenen Jahren zudem gelungen eine Gruppe von Junghandwerkern zu bilden. Insofern ist die Begeisterung für den Beruf am Tschögglberg spürbar groß. Außerdem befinden sich einige Handwerksbetriebe auch schon in der Generationsübergabe.

Was würden Sie sich zurzeit für Ihre Gemeinde wünschen?
Ich wünsche mir, dass die Gemeinde politisch so kompakt bleibt und sich nicht durch parteipolitische Spielereien zersplittern lässt. Dass sie es immer wieder schafft den Fokus auf jene Dinge zu richten, die weiterzubringen sind. Weiters wünsche ich mir, dass der Zusammenhalt in der Gemeinde bleibt und wächst, dass die gegenseitige Wert­schätzung noch stärker wird und die Gegensätzlichkeiten untereinander uns nicht trennen, sondern es uns gelingt, immer wieder den Blick neu auf die Dinge zu richten, die in der Gemeinde gut funktionieren oder sogar bereits verändert werden konnten.