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Vom Ort des Geschehens zur Kulisse

Das Johanneum, wie es sich heute zeigt ©Hubi1802

Eine Straße muss nicht unbedingt den Namen eines Menschen tragen, um mit ihm verbunden zu sein. In Dorf Tirol zum Beispiel gibt es die Seminarstraße. Und in dieser Seminarstraße kommt man beim Spazieren am Seminar, dem Johanneum, vorbei. Gegründet wurde die Institution von Johann Nepomuk von Tschiderer.
Wer gerne ins Kino geht, für den schaut es derzeit nicht gut aus. Kulturelle Veranstaltungen in Theatern, Konzertsälen und Kinos sind seit vielen Monaten ausgesetzt. Wer über einen eigenen Beamer verfügt, kann immerhin ein wenig Kinoflair zu sich nach Hause holen. 1944 hat man aus ganz anderen Gründen das Kino zu den Menschen gebracht. Das Ende des Zweiten Weltkrieges war noch immer nicht absehbar, Joseph Goebbels war dabei, die Deutschen auf den totalen Krieg einzuschwören und er wusste, dass Menschen – bei all den Entbehrungen – zumindest unterhalten werden wollten. Wo es keine Kinos gab, setzte man deshalb sogenannte Tonfilmwagen ein, mobile Anlagen mit modernsten Projektionseinrichtungen, wovon mehrere Hundert zur Verfügung standen. Am Montag, 7. Februar 1944 wurde im Burggrafenamt „Der Meineidbauer“ gezeigt, die Verfilmung des gleichnamigen Volksstückes von Ludwig Anzengruber um den meineidigen Kreuzweghofbauer Matthias Ferner – ein Klassiker. Um 14 Uhr stand der Wagen in Obermais, um 20 Uhr vor dem Johanneum.

Bozen, Meran, Dorf Tirol
Die Geschichte des Johanneums ist eine wechselhafte. Die Wirren der Französischen Revolution ab 1789 und die bayerische Herrschaft in Tirol wirkten sich nicht gerade positiv auf die Anzahl der Neupriester aus. Johannes Nepomuk von Tschiderer, damals Erzbischof von Trient, wollte dies ändern und ermöglichte Studenten, die für den Priesterberuf ge­eignet waren, eine Unterkunft in Bozen. 1840 zogen die ersten zwölf Zöglinge ein und in den darauf folgenden Jahren nahm die Zahl der Schüler konstant zu. Von Tschiderers Ansinnen war von Erfolg gekrönt – auch noch Jahrzehnte nach seinem Tod und allen Krisen zum Trotz. So wurde schon zu Lebzeiten der Name „Col­legium Johanneum“ verwendet. Später kam ein Heim in Meran hinzu. Doch als die Faschisten die deutschen Schulen verboten, wurden 1928 beide Konvikte aufgelassen. Gleichzeitig entstand aber in Dorf Tirol ein „kleines Seminar“ mit kirchlicher Privatschule. Von den Kapuzinern wurde das St.-Fidelis-Haus in Pacht übernommen und der Unterricht konnte mit neun Klassen beginnen. Zwischen 1943 und 1945 musste dieser allerdings unterbrochen werden, da die Gebäude als Notreservespital dienen sollten. Genau in diese Zeit fällt die oben erwähnte Episode mit dem Tonfilmwagen. Zu seinen besten Zeiten beherbergte das Johanneum über 200 Schüler. 1995 wurde der Namengeber Fürstbischof von Tschiderer von Papst Johannes Paul II. in Trient vor über 100.000 Gläubigen selig gesprochen. Dem Johanneum ging es weniger gut. Aufgrund der schrumpfenden Einschreibezahlen musste zwei Jahre darauf der Schulbetrieb und 2001 schließlich auch der Heimbetrieb eingestellt werden.

Ungewisse Zukunft
Was aus den ehrwürdigen Gebäuden werden soll, ist auch nach zwanzig Jahren noch unklar. Zunächst war ein Wohnheim für Se­nioren geplant, doch die Bauarbeiten wurden bald eingestellt. Ein Umbau zu einem 5-Sterne-Hotel wurde von der Gemeinde abgelehnt. Zwischendurch diente das Johanneum als Kulisse. Im August 2019 wurde eine Woche lang für den Familienfilm „Hilfe, ich habe meine Freunde geschrumpft“ gedreht. Er sollte Ende 2020 in die Kinos kommen – daraus wurde nichts. Neuer Premierentermin: 2. September 2021. Mal sehen.

Christian Zelger