Zwei Spuren oder vier Spuren – das war damals die Frage

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Zwei Spuren oder vier Spuren – das war damals die Frage

Viele Hürden mussten überwunden werden

Eigentlich könnte sie auch AlBo heißen. Schließlich beginnt die Schnellstraße nach Bozen in Algund und nicht in Meran. Nach einem jahrzehntelangen Hin und Her wurde sie vor 23 Jahren eröffnet. Zeit also zurückzublicken und die eine oder andere Geschichte zu Tage zu fördern.
„Das könnte Ihr Kind sein“. Mit diesen Worten und einem Bild, das einen Schüler zeigt, der eine Straße zwischen vielen Autos müh­sam überqueren muss, warb die Bürgerinitiative „Pro ME-BO“ 1990 für die gleichnamige Schnell­straße. Der Verkehr müsse aus den Dörfern verschwinden. Nur so könne die Lebensqualität und die Sicherheit der Anrainer verbessert werden. Dass Gottes Mühlen langsam mahlen, wusste schon der deutsche Barockdichter Friedrich von Logau. Doch auch im Diesseits gibt es Mühlen, die gemächlich arbeiten. Jene der Jus­tiz, der Bürokratie und anscheinend auch der Straßenplaner. Bereits Anfang der 1960er Jahre wurde der Bau einer Schnell­straße von Meran nach Bozen diskutiert. Bis zur Eröffnung vergingen allerdings über dreieinhalb Jahrzehnte.

Ein langer Weg …
„Für die Verbindung Bozen-Meran ist schon eine Schnellstraße geplant“, konnte man am 27. Jänner 1962 in der Tageszeitung „Dolomiten“ lesen. Eine mutige Zeile – aus heutiger Sicht. Eine Fahrt auf der Superstrada sollte da noch in weiter Ferne liegen. Zuständigkeiten mussten erst geklärt werden, ebenso die Finanzierung oder Fragen nach der konkreten Umsetzung. Die in Italien damals fast an der Tagesordnung stehenden Regierungskrisen waren dabei wenig hilfreich. Außerdem weiß der Volksmund, wie man einer Idee den Garaus macht. Man gründet ein Komitee – und solche gab es einige. Trotz allem sah man den Baubeginn 1967 in spätestens vier bis fünf Jahren. Doch ein Schlag für alle Befürworter kam schon im Jahr darauf: „Der Traum von der Schnellstraße Bozen-Meran ist endgültig ausgeträumt“. Der zuständige Minister hatte klargestellt, dass die Staatsstraßenverwaltung ANAS nicht über die nötigen Mittel verfüge.

… mit vielen Hürden
In der zweiten Hälfte der 70er Jahre kam wieder Schwung in das Unternehmen. Um Trassierung und Anzahl und Breite der Spuren wurde heftig gestritten. Der Südtiroler Bauernbund wollte nur zwei Spuren, um Kulturgrund zu schützen, der Technische Landesbeirat vier, um die Verkehrsprobleme zu lösen. Wenn alles schlecht liefe, so wusste man 1979, könnte die Schnellstraße womöglich erst 1990 eröffnet werden. „Mit diesem Thema ist keine Diskussion mehr zu entfachen, zu hören sind allenfalls höhnische Bemerkungen“, liest man 1981, auch von einer „Beisetzung der soundsovielten Planung, deren laufende Nummerierung selbst den Politikern nicht mehr bekannt zu sein scheint“. Ein Anti-Mafia-­Gesetz und zeitraubende Erkundigungen über die beauftragte Baufirma verzögerten den ersten Spatenstich zum Jahrhundertprojekt zusätzlich. Die eingangs erwähnte Bürgerinitiative schaltete im September 1990 mehrere Inserate, um erneut Druck zu machen, und sammelte innerhalb von zehn Tagen über 180.000 Unterschriften. Die Gruppe „Rettet das Etschtal“ ließ sich davon nicht beeindrucken. Zwischendurch prophezeiten die Grünen noch den Tod der Eisenbahn. Fertig gebaut wurde sie schließlich doch. Im August 1997 war es endlich soweit: „In einer Viertelstunde nach Meran“ titelte das Tagblatt der Südtiroler. Die Segnung durch die Geistlichen von Andrian und Terlan erfolgte lateinisch, um keine Sprachgruppe zu bevorzugen. Dass es das „Ende eines langen Aben­teuers“ war, darüber waren sich alle einig.

Christian Zelger