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Wertvolle Erfahrung

Die Gemeinderatswahlen vom 20. und 21. September haben in der Kurstadt wieder einmal alles auf den Kopf gestellt. Vor 5 Jahren verlor Gerhard Gruber völlig unerwartet gegen Paul Rösch. Jeder rechnete jetzt damit, dass Paul Rösch und Richard Stampfl in die Stichwahl gehen. Doch auch das ging für die SVP ordentlich in die Hose. Dario Del Medico, der Kandidat des italienischen Mitte-rechts-Bündnisses, machte das Rennen. Rösch erreichte 28,4%, der Kandidat der beiden italienischen Bürgerlisten 22,9%, SVP-Kandidat Richard Stampfl lag knapp dahinter mit 21,6%.

Richard Stampfl im Gespräch im Bürger Café

Mit nur 37 Stimmen Unterschied entschied Rösch am 4. Oktober dann die Stichwahl. Nach 25 Jahren hätte es beinahe ein italienischer Kandidat wieder einmal geschafft, Bür­germeister von Meran zu werden. Hat die SVP zu diesem Ergebnis beigetragen, indem sie keine Wahlempfehlung für Paul Rösch ausgesprochen hat?
Gilt ihr oberstes Gebot, einen italienischen Bürgermeister zu verhindern, plötzlich nicht mehr? Arbeitet die SVP gar darauf hin, eine interethnische Partei zu werden? Gesagt werden muss auch, dass mit 46,6 Prozent Wahlbeteiligung gerade einmal jeder zweite Meraner zur Bürgermeisterkür beigetragen hat, von denen die italienische Volksgruppe verstärkt zur Wahlurne ging. Haben die Meraner SVP-­Granden schon vor der Wahl im stillen Kämmerlein mit der neuen italienischen Sammelliste von „Alleanza per Merano“ und „La Ci­vica per Merano“ einen politischen Pakt geschlossen?
Wenn der SVP-Kandidat gewinnt, würde die italienische Bürgerallianz der bevorzugte Koalitionspartner sein und den Vizebürgermeister stellen. Das ist nicht eingetroffen.

Schwieriges Unterfangen
Rösch bleibt Bürgermeister, eine regierungsfähige Mannschaft zusammenzustellen wird ein schwieriges Unterfangen. Es gibt drei Gruppierungen mit je acht Sitzen, und jeder wird ihre Ansprüche geltend machen wollen. Der par­teiunabhängige SVP-Kandidat Ri­chard Stampfl hat seinen Rückzug aus der Politik bekanntgegeben. Als Politiker sah er sich nicht und wollte er auch nicht gesehen werden. Un­abhängiger Kandidat, dem es gelungen ist, die Meraner SVP auf einen Nenner zu bringen, war ihm da schon lieber. Meran die kommenden 5 Jahre als Bürgermeister positiv zu verändern, war sein Ziel. 219 Stimmen haben gefehlt, um in die Stichwahl zu kommen. Auch wenn die SVP die stärkste Einzelpartei in der Stadt bleibt, ging sie bei den Gemeinderatswahlen in Meran als Verlierer hervor.

Ein Gespräch mit ihm und ein Rückblick auf ein Jahr, das nicht nur von Corona bestimmt war.

Herr Stampfl, wie fühlen Sie sich?
Richard Stampfl: Im Reinen mit mir. Ich habe alles getan, um in die Stichwahl zu kommen. Das Ergebnis war mehr als enttäuschend. Es tut mir vor allem für mein junges und motiviertes Team leid, dass wir unser Ziel nicht erreicht haben. Wir haben an uns geglaubt und hart gearbeitet, um Meran neue Impulse und Visionen zu geben. Wir wollten in der Stadt etwas weiterbringen. Ich habe von sehr vielen Menschen vor und nach den Wahlen Zuspruch erhalten, das hat gutgetan und da­für bedanke ich mich.

Sie haben fast ein Jahr lang dafür gekämpft, dass die SVP in Meran wieder den Bürgermeister stellt. War alles für die Katz?
Nein, es war für mich eine wertvolle Erfahrung. Ich habe viel Neues dazugelernt und einen Einblick in die Politik bekommen, auch wenn ich eine politische Karriere nie angestrebt habe. Ich habe meine Stadt, die Menschen und ihre Bedürfnisse kennengelernt. Im Team haben wir viele Ideen und Projekte entwickelt, wie wir in der Stadt etwas bewegen können. Bei zahlreichen Versammlungen, Treffen und persönlichen Gesprächen haben mir die Menschen erzählt, welche Veränderungen notwendig wären, welche Probleme es zu lösen gilt. Viele dieser Ideen haben wir in unser Wahlprogramm aufgenommen.
Als unabhängiger Kandidat habe ich mein Bestes gegeben, um die SVP in Meran gut aufzustellen. Warum es dann doch nicht gut ausging, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht war ich für einige zu unabhängig und für andere zu sehr mit der SVP verbunden.

Gedankenaustausch mit Arno Kompatscher

219 Stimmen haben gefehlt, um in die Stichwahl zu kommen. Das tut weh!
Ja, das war sehr schmerzhaft. Hätte ich 10 Kandidaten mehr auf der Liste gehabt, dann hätte ich die Stimmen erhalten. Wir haben stark um Kandidatinnen und Kandidaten geworben, es war schwierig Menschen zu finden, die sich auf der SVP-Liste aufstellen lassen wollten. Die italienischen Parteien hatten über 50 Kandidaten auf ihren Listen. Jeder Kandidat bringt Stimmen mit. Ich bin überzeugt, dass sich die vielen neuen Kandidatinnen und Kandidaten, die für Veränderungen in der SVP stehen, sich ein besseres Ergebnis verdient hätten. Sie haben alle ihr Bestes gegeben. Leid tut mir auch, dass es keine Frau auf unserer Liste in den Gemeinderat geschafft hat.

Hat die Coronakrise auch ihren Anteil am enttäuschenden Ausgang?
Das Thema Corona war in den Medien bestimmt vorherrschend. Ab März interessierten sich die meisten Menschen fast nur mehr für die aktuellen Infektionszahlen und waren um ihre Zukunft besorgt. Alles andere ist in den Hintergrund geraten. Erst kurz vor den Wahlen ist wieder mehr Interesse aufgekommen. Die Anzahl der größeren Veranstaltungen, bei denen man den Wählerinnen und Wählern das eigene Programm vorstellen konnte, war sehr begrenzt. Ältere Menschen konnten über die digitalen Medien nicht immer erreicht werden.

Hat die Meraner SVP nicht zu wenig getan, um Sie wirklich zum Erfolg zu führen?
Die neuen und jungen Kandidatinnen und Kandidaten hätten parteiintern besser begleitet und betreut werden müssen. Sie haben wenig Gelegenheit bekommen, sich zu präsentieren. Das wird ersichtlich aus der geringen Anzahl von Vorzugsstimmen.

Hängt das Scheitern der Meraner SVP mit Parteiengeplänkel und Parteidenken zusammen, das der Bürger leid ist?
Mein erklärtes Ziel war es konkrete Sachpolitik zu betreiben. Parteigeplänkel und Zwistigkeiten sind nie förderlich, um ein Wahlziel zu erreichen und kommen bei den Wählern nicht gut an. Wählerinnen und Wähler wollen von einer Partei, dass sie zusammenhält und am gleichen Strang zieht.

Wäre es nicht korrekter gewesen, Stefan Frötscher ins Rennen zu schicken?
Dazu kann ich nicht antworten. Innerhalb der Partei gab es bekanntlich mehrere Strömungen mit den jeweiligen Kandidatenvorschlägen für den Bürgermeisterposten. Keiner von ihnen scheint den Rückhalt in der gesamten Partei gehabt zu haben. Mir wurde die Inte­gration zugetraut, und so habe ich mich für die Kandidatur entschlossen. Voraussetzung war aber immer, dass alle geschlossen hinter mir stehen.

War es ein Schuss nach hinten, der Stadtregierung vorzuwerfen, sie sei untätig gewesen, und dabei war die SVP selbst im Boot?
Die vergangene Stadtregierung war eine recht inhomogene Gruppe, mit vielen unterschiedlichen Meinungen und Prioritäten. Es war oft schwierig gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Einiges ist der Regierung gelungen, wie die Errichtung des Seniorenheimes in der Innerhoferstraße für die älteren Stadtbewohner. Es hat auch andere gute Ansätze gegeben, aber oft hat es an der Tatkraft gefehlt, die Vor­haben auch zu realisieren. Es wurde viel probiert, aber das große Ganze wurde aus den Augen verloren. In bestimmten Bereichen, glaube ich, kann man der Stadtregierung Un­tä­tigkeit vorwerfen. Das Mobilitätszentrum am Bahnhof wurde nicht angegangen, die ehemalige Böhler-Klinik steht nach wie vor fast leer, ein gut durchdachtes Müllentsorgungs­konzept fehlt. In Meran gibt es immer noch ein großes Verkehrsproblem. Es ist klar, dass dieses Problem nur mit einem umfassenden, alle umliegenden Gemeinden einschließenden Mobilitätskonzept gelöst werden kann. Das Verkehrsproblem kann man nicht damit lösen, indem man die kürzeste Verbindung vom Krankenhaus zur MeBo-Einfahrt zur Einbahnstraße macht.

Was geben Sie Paul Rösch für die kommenden Jahre mit auf den Weg?

Präsentation des Kulturprojekts „Campus M“

Wirtschaftlich wird Meran in Zukunft vor gro­ßen Herausforderungen stehen. Es besteht die konkrete Gefahr, dass Geschäfte, Hotels, Gasthäuser und Bars schließen müssen. Das bedeutet, dass viele Angestellte ihre Arbeit verlieren. Die Jugend ist in der Coronazeit ver­gessen worden, im kommunalen Schulbau besteht großer Nachholbedarf, in der Alten- und Seniorenpflege steht Meran recht gut da. Ich wünsche mir, dass „Campus M“ und auch ein paar andere Projekte, die in unserem Wahlprogramm enthalten sind, weiter verfolgt werden. Das Mobilitätszentrum sollte so rasch wie möglich realisiert werden, die Fahrradwege in der Stadt besser ausgebaut und die Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden verbessert werden. Vereine und Or­ganisationen sollten einen höheren Stellenwert und eine bessere Unterstützung bekommen. Der Tourismus in Meran stellt einen we­sentlichen Wirtschaftszweig dar, der nicht vernachlässigt werden darf. Natürlich dürfen dabei die Bedürfnisse der Meraner Bürgerinnen und Bürger nicht aus den Augen verloren werden. Den Menschen mit Migrationshintergrund sollte mehr Beachtung geschenkt und ihre Integration verstärkt werden.

Henry Chenot als Ehrenbürger vorzuschlagen, ein Projekt zum Kasernenareal aus der Schublade zu holen und als das eigene zu verkaufen, eine Unterstützerliste zu veröffentlichen, ohne die Betroffenen zu fragen: Da ist einiges schief­gelaufen. Hatten Sie so schlechte Berater?
Die Aussage über Chenot war eine spontane Äußerung. Chenot hat für den Qualitätstourismus in Meran viel geleistet, er hat viele be­kannte Persönlichkeiten nach Meran geholt und Meran in der internationalen Presse auf­scheinen lassen. Heute, nach reiflicher Überlegung und nach den gemachten Erfahrungen, würde ich meinen verstorbenen Freund, Rudi Ladurner, als Meraner Ehrenbürger vorschlagen. Er hat mit dem Theater in der Altstadt ei­ne kulturelle Einrichtung geschaffen, die in Meran nicht mehr wegzudenken ist. Er hat dem kulturellen Leben in Meran seinen Stempel aufgedrückt. Bei „Campus M“ ist es mir darum gegangen, endlich den ersten Schritt in das Militärareal zu tun, unabhängig von Ge­plan­tem, Gedachtem und Erträumtem. Was nützen die besten Ideen und schönsten Projekte, wenn sie nur auf dem Papier bleiben?
Was die Unterstützerliste betrifft, so war das ein dummes Missgeschick, das mir sehr leid tut. Es war ein Arbeitsdokument, das zwar nicht in Umlauf hätte kommen dürfen, das aber nie offiziell gedruckt wurde. Die Medien haben diesen Patzer ausgeschlachtet und mir so auch geschadet. Jeder, der mich kennt, weiß, dass es mir vollkommen fern liegt, Menschen für eigene Zwecke zu benutzen. Bei allen, die sich bereit erklärt haben auf der Liste „Ich un­terstütze Richard Stampfl“ bedanke ich mich.

Haben Sie das Bündnis von „Alleanza per Merano“ (Nerio Zaccaria) und „La civica per Merano“ (Giorgio Balzarini) unterschätzt?
Das Bündnis dieser beiden italienischen Parteien habe ich nicht unterschätzt. Es war zu erwarten, dass sie ungefähr so abschneiden wie bei den letzten Wahlen. Wir sind alleine angetreten und sind immerhin stimmenstärkste Partei geworden. Für die Stichwahl haben eben diese 219 Stimmen gefehlt.

Geht die SVP in Meran in die Opposition?
Der neue alte Bürgermeister wird es nicht leicht haben, eine Stadtregierung aufzustellen. Wie bereits gesagt, gibt es drei Gruppierungen, die mit acht Sitzen im Gemeinderat vertreten sind. Da kann wahrscheinlich keine dieser Gruppierungen von vornherein ausgeschlossen werden. Wer weiß, vielleicht kommt es zu einer großen Koalition. Es bleibt zu hoffen, dass es den gewählten Gemeinderäten gelingt, eine Regierung zusammenzustellen. Um zu vermeiden, dass es zu Neuwahlen kommt.

Wird man Sie in Zukunft im Meraner Gemeinderat sehen?
Auf mein Mandat im Gemeinderat habe ich verzichtet. Als unabhängiger Kandidat gebe ich der SVP den Weg frei, ihre Entscheidungen bei den Koalitionsverhandlungen unabhängig von meiner Person zu treffen. Die Partei muss sich neu aufstellen, es braucht neue Gesichter und eine neue Organisation, neue Wege in der Kommunikation und vor allem: die Basis muss wieder mitreden und mitentscheiden!

Sehen wir Richard Stampfl auf dem politischen Parkett wieder?
Nein, hiermit endet mein Engagement in der Politik. Ich werde mich aber für soziale Projekte in der Stadt einsetzen. Das Nichtstun liegt mir nicht.

von Josef Prantl