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Weinbau in Zeiten von Corona

Stefan Kapfinger

Von der Coronakrise blieb auch der Weinbau nicht verschont.

„Ein mäßiger Weingenuss fördert die Gesundheit“, so steht es in der Studie des Professors Kliewe von der Uni­versität Mainz aus dem Jahre 1981 zu lesen. Die Grip­pe­sterb­lichkeit sei bei Wein­trinkern viel geringer als bei an­deren. Aber auch Eitererreger und Kolibakterien sollen durch Weiß­wein vernichtet werden. Ob es nun tat­sächlich so ist, sei dahingestellt, zum Schmunzeln sind diese Forschungsergebnisse allemal. Aber wie geht es eigentlich dem Weinbau angesichts der aktuellen Lage und was macht den Wein­standort Meran und Umgebung so besonders?

Ein Gespräch mit Stefan Kapfinger, Kellermeister der Kellerei Meran.
Herr Kapfinger, die Coronakrise hat die Wirtschaft stark getroffen. Wie sieht es mit der Weinwirtschaft aus?
Stefan Kapfinger: Wie bei wohl so ziemlich allen Branchen ist der Corona-Virus auch an der Weinwirtschaft nicht spurlos vorbeigezogen. Südtirol, als für seine hochwertigen Weine bekanntes Land, beliefert Fachhändler und Gastronomen in ganz Italien und in der ganzen Welt. Geschlossene Hotels, Restaurants, Barbetriebe und Vinotheken bedeuten weniger Umsatz.

Welche Auswirkungen hat Corona auf den Verkauf der Weine aus dem vergangenen Jahr?
So absurd es klingt, aber für die Qualität des Weines bedeutet die zusätzliche Lagerung im Kellergeschoss der Kellerei sogar etwas Gutes. In den letzten Jahren kamen die Weine – aufgrund der starken Nachfrage – häufig zu früh auf den Markt. Dieses Jahr konnten die Weine etwas länger im Fass reifen. Diese zusätzliche Reifezeit wirkt sich wiederum positiv auf den Geschmack des Weines aus.

Es ist noch viel Wein von 2019 auf Lager. Was bedeutet das für das heurige Weinjahr?
Sicherlich lagert in diesem Jahr mehr Wein in den Kellern als in den vergangenen Jahren. Es gibt mehrere Ansätze, um diesem Problem entgegenzuwirken. Zum einen wird, wie bereits in diversen Medien berichtet, die Produk­tionskapazität für dieses Jahr reduziert. Zum anderen kann verstärkt Wein in Flaschen abgefüllt und somit die Lagerkapazität in den Kellerräumen erweitert werden.

Durch die Verringerung der Produktionsmenge könnte es noch gelingen, den Weinpreis vor einem dramatischen Fall zu bewahren. Aber was würde das bedeuten?
Südtiroler Weine bewegen sich aus qualitativer Sicht seit 20-30 Jahren auf einem sehr hohen Niveau und dementsprechend auch im höheren Preissegment.
Die Produktionsmengen wurden bereits damals angepasst und werden laufend optimiert, somit wird weniger pro Hektar produziert, als gesetzlich vorgeschrieben, um nur die optimalste Qualität zu ernten und weiterzuverarbeiten. Für die Kellerei Meran hat sich also im Zuge dessen nicht viel verändert, da sie schon seit Jahren niedrige Hektar­erträge vorsieht.

Wie lange wird es dauern, bis sich die Weinwirtschaft wieder erholt?
Die Weinwirtschaft hängt, wie so vieles bei uns in Südtirol, stark vom Tourismus ab. Mit dem stärkeren Tourismusaufkommen sind auch unsere Absatzzahlen wieder angestiegen, sodass wir derzeit mit der aktuellen Auftragslage durchaus zufrieden sein können.
Viele Marlinger Weine erhielten Auszeichnungen.
Auszeichnungen sind immer etwas Großartiges. Sie bestätigen die harte Arbeit, die Weinbauern und Kellermeister Tag für Tag in die Schaffung eines qualitativ hochwertigen Weines investieren. Zudem haben Auszeichnungen eine Orientierungsfunktion. Sie sind für die Kellerei und den Kellermeister auch eine Bestätigung, dass der eingeschlagene Weg und die gewählte Philosophie richtig sind und zum Erfolg führen.

Was lässt sich über die zu erwartende Qualität des Weines im Jahr 2020 sagen?
Gute Zucker-, Säure- und pH-­Werte führen dazu, dass die Qualität des Jahrgangs 2020, nach heutigem Stand, als sehr vielversprechend bezeichnet werden kann. Im Vergleich zum Erntejahr 2019 sind wir in etwa 8 – 10 Tagen voraus, sodass wir mit der Sektgrundwein-Ernte bereits am 19. September begonnen haben.
Durch die Markteinführung des Brut Riserva 36, Jahrgang 2015, nach der klassischen Methode produziert, ist die Kellerei Meran vom ausschließlichen Stillweinproduzenten zum Südtiroler Wein- und Sekt-Hersteller aufgestiegen.

 

 

Auch die freien Weinbauern bleiben gespannt

Weinbauer Erwin Eccli betreibt mit seiner Familie das Weingut „Pardellerhof“ in Marling und konnte sich dank seines Unternehmergeistes und dem Nebenerwerb „Urlaub auf dem Bauernhof“ nach dem Lockdown wieder gut über Wasser halten.

Nachdem im Frühjahr der Wein­verkauf fast gänzlich eingebrochen war, mussten viele erst einmal eine Lösung finden, den über drei Monate nicht ver­kauf­ten Wein noch zu verkaufen oder ein zusätzliches Lager für heu­er zu schaffen bzw. anzumieten. Vor allem für kleinere Betriebe ist die notwendige Mengenreduktion der diesjährigen Ernte sehr wichtig, um den Weinpreis zu halten und nicht weitere Lagerspesen zu verursachen.

Wie in jeder Branche haben auch die freien Weinbauern vermehrt auf neue Marktstrategien im Onlinebereich gesetzt, wie auch auf den Fernkontakt zu Privatkunden und Händlern mit einem entsprechenden Weinversand. Eine besondere Herausforderung stellt die Suche nach Arbeitskräften dar, nachdem viele Gastarbeiter durch die Vorschriften zur Eindämmung des Coronavirus nur mehr erschwert nach Südtirol reisen können.
Dank der derzeitigen Lockerungen konnten mittlerweile aber wieder einige Erntehelfer ins Land gelangen, auch wenn bislang of­fenbleibt, wie die Einreisebestimmungen sich in Zukunft entwickeln werden. „Wenn es bei diesen Lockerungen bleibt und keine zweite Corona-Welle kommt, werden wir uns schon wieder erholen“, sagt Erwin Eccli.

Das alles bleibt aber zu hoffen, da ein zweiter Einbruch des Marktes viele Betriebe in ernstzunehmende Schwierigkeiten bringen würde.

Philipp Genetti