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Untermaiser Wirtschaft

Untermais ist vor allem als Standort des Pferderennplatzes bekannt. Doch auch als Wirtschaftsstandort hat es einiges vorzuweisen.

Den Wirtschaftsstandort Untermais zeichnet ein bunter Branchenmix aus Gewerbe, Handel und Tourismus aus. Entlang der Rom- und der Matteottistraße haben sich vor allem viele lokale Betriebe mit langer Tradition niedergelassen. Seit 14. September hat Untermais mit „Live Me­rano Camping“ wieder einen eigenen Campingplatz.

Die vorangegangene Ausschreibung des ehemaligen gemeindeeigenen Campinggeländes im Tenniszentrum haben die zwei jungen Unternehmer Samuel und Mattia Solin gewonnen.
Ihr Konzept ist jenes eines hochwertigen 4-Sterne-Campingplatzes, der zu Meran passt und Mehrwert im Tourismus bietet, wie es von Seiten der Betreiber heißt. Binnen 4 Monaten wurde das Camping aus dem Boden gestampft und lässt sich durch sein einzigartiges Design durchwegs zeigen.

 

Pionierarbeit für Merans Handwerk und Wirtschaft

Der neue, moderne Campingplatz in Untermais

Wenn die wirtschaftliche Entwicklung von Meran und Untermais in einem Satz zusammengefasst werden sollte, kommt man am Namen Traudl Götsch nicht vorbei. Als langjährige Stadträtin hat sie die Kurstadt maßgeblich mitgeprägt.

Brugnara ein Geschäft mit Tradition

Frau Götsch, Sie waren 25 Jahre als Stadträtin tätig und an der Errichtung der Untermaiser Hand­­werkerzone beteiligt. Aber beginnen wir mit Ihrer Lebensgeschichte. Wo sind Sie aufgewachsen und wie haben Sie Ihre Kindheit verbracht?
Ich bin als Jüngste von acht Kindern in Bozen geboren. Unser Vater war Seilbahnbauer und deshalb viel unterwegs. Grund, weshalb meine Mutter mit uns Kindern immer dort hin mitziehen musste, wo er gerade zu arbeiten hatte. Sechs meiner Geschwister sind in Ulten geboren. Nach einem Zwischenstopp in Bergamo, wo ein weiteres Kind geboren wurde, kamen meine Eltern zurück nach Bozen, wo ich dann zur Welt kam. Ich bewundere meine Mutter heute, wie sie es geschafft hat mit acht Kindern immer wieder von Ort zu Ort zu ziehen. Als sie mit meinem Vater nach Bergamo ziehen musste, konnte sie noch kein Wort Italienisch und musste zum Beichten sogar erst nach Mailand fahren, damit sie jemanden verstand, wie uns Kindern erzählt wurde. Nachdem meine Eltern nach Bozen ge­kommen waren, lebten wir einige Zeit in Jenesien, bis unser Vater sich bei der Option für die Auswanderung entschied und wir Hals über Kopf nach Deutschland gehen mussten.

Sie haben die Optionszeit als Kind hautnah miterlebt.
Es ist für einen jungen Menschen heute unvorstellbar, was wir in der damaligen Zeit miterlebt haben. Nachdem unser Vater optiert hat, mussten wir auf Anweisung des damaligen Bürgermeisters von Bozen binnen kürzester Zeit nach Deutschland ausreisen und kamen mit unserer Mutter schließlich in ein Heim. Alles Undenkbare wurde uns damals versprochen, „draußen“ wurde meine Familie aber mit der nackten Tat­sache konfrontiert: Man wollte uns nicht. Es war für unseren Vater klar, dass wir so nicht aufwachsen können, und so fand er, als er bei der Hungerburg in Innsbruck eine Seilbahn bauen konnte, etwas oberhalb ein kleines Haus, in der wir bleiben konnten. Wir hatten wirklich gar nichts und hatten als Kinder oft mit Hunger zu kämpfen. Zum einen waren die Lebensmittel rar, zum anderen waren wir als Südtiroler in Innsbruck unerwünscht und ständiger Anfeindung ausgesetzt. Das ging so weit, dass einer meiner Brüder eines Tages von der Polizei abgeführt worden war unter dem Verdacht, einen Österreicher erschlagen zu haben.

Wie ist die Sache ausgegangen?
Nachdem sich der verantwortliche Beamte einen groben Fehler erlaubt hatte, ist die Sache als dreiste Falschanzeige aufgeflogen. Die guten Kontakte, die unser Vater mit dem Ordnungsamt hatte, kamen der Aufklärung zugute. Der Ruf unserer Familie war damit ruiniert. Für eine Familie aus Südtirol eine doppelte Belastung.

Wie verlief Ihre schulische Laufbahn?
Meine schulische Laufbahn habe ich, inklusive der Lehre zur Schnei­derin, in Innsbruck verbracht. Warum Schneiderin? Weil es zu Hause hieß, dass eine von uns Kindern diesen Beruf erlernen musste. Einer meiner Brüder durfte studieren, der andere hatte einen fixen Arbeitsplatz, meine Schwestern hatten auch alle Arbeit und kein Interesse daran, somit fiel dieser Beruf auf mich zurück. Es hat mir dann aber auch Spaß gemacht.

1955 kamen Sie und Ihre Familie zurück nach Meran.
Wir hatten in Österreich schluss­endlich alle eine gute Arbeitsstelle gefunden. Doch unsere Mutter hatte so starkes Heimweh nach Südtirol, dass wir auf die Einladung des Landes nach Südtirol zurückzukehren, reagieren mussten. Das größte Problem war, dass uns im Land zwar die gleichen Arbeitsstellen versprochen wurden, die wir draußen hatten, es in der Praxis aber ganz anders aussah. Unser Vater blieb vorsichtshalber noch in Österreich und ich zog mit meiner Mutter und einem Teil meiner Geschwister nach Meran, wo ich schließlich meinen Mann Sepp kennenlernte.

Vor Jahren hat Paul Rösch einiges in Bewegung gesetzt, damit an die Zeit der Option erinnert wird.
Ich war auf einer dieser Veranstaltungen in Bozen und es ist und war sicher gut, diesen Abschnitt der Geschichte Südtirols ins Bewusstsein der Südtiroler zu bringen, weil viele im Land nicht die geringste Vorstellung davon haben, was einige von uns „da draußen“, fern von der Heimat, erleben mussten. Da warst du als Südtiroler nicht mal ein Mensch. Da warst du rein gar nichts. Aber es bräuchte viel mehr solcher Initia­tiven, damit auch jene zu Wort kommen können, denen es besonders schlecht in dieser Zeit gegangen ist. Ich denke vielen jungen Südtirolern täte ein gesundes Geschichtsverständnis in diesem Zusammenhang gut, vor allem denen, die sich nach wie vor nach Österreich und Deutschland sehnen.

In Meran lernten Sie Ihren Mann Sepp Götsch kennen, der zur damaligen Zeit einen kleinen Karosseriebetrieb in Untermais führte. Was hat Sie dazu bewogen in den Betrieb mit einzusteigen?
Als gelernte Schneiderin war die Automobilbranche für mich Neuland. Nachdem ich gesehen habe, dass der Betrieb meines Mannes aber zu klein geworden war, habe ich mich dafür eingesetzt einen neuen Standort zu finden. Klar war, dass dieser nur außerhalb des Stadtzentrums in Frage kommen würde. Nachdem sich ab 1975 auch andere Handwerksbetriebe unserem Vorhaben angeschlossen hatten, entsprang die Idee, in Meran Südtirols erste Handwerkerzone zu errichten. Die Zone war beim Freihof in Sinich vorgesehen. Es kam aber anders. Ich hatte damals beim Freihof angefragt und mein Anliegen wurde kurzerhand abgelehnt. Als dann beim Untermaiser Bahnhof einige Bauern ihre Gründe verkaufen wollten, haben wir sofort reagiert, eine „Cooperativa“ gegründet und in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und dem Land die Gründe auf privater Basis zu einem hohen Preis den Bauern abgekauft. Über ein Jahr habe ich mit jedem einzelnen Bauern verhandeln müssen. Dann haben wir alles der Gemeinde übergeben, welche die Flächen anschließend mit einer 25-jährigen Zweckbestimmung den Betrieben zugewiesen hat. Die gesamte Infrastruktur, Straßen und Parkplätze, haben wir alles selbst realisiert.

25 Jahre waren Sie in der Gemeindepolitik tätig, 5 Jahre Gemeinderätin und weitere 20 als Assessorin für Polizei, Wirtschaft, Ökonomat, Personal, Sport und Frauen. Was führte Sie in die Politik?
Ich wollte nie in die Politik gehen. Nach meinem Einsatz bei der Entstehung der Untermaiser Handwerkerzone wurde ich dann aber vom Landesverband der Handwerker als erste Frau in den Exekutivausschuss gewählt, in dem ich von 1984 bis 2004 auch den Vorsitz führte. Dann hieß es von Seiten der Handwerker, es brauche in der Gemeinde Meran jemanden, der die Anliegen der Handwerker, insbesondere der Handwerkerzone, in die Gemeinde trägt. Ich ließ mich überreden und erhielt schlussendlich ganz andere Bereiche zugeteilt. Als Assessorin der Bereiche Wirtschaft, Ökonomat, aber auch Personal kamen mir meine Fähigkeiten als Unternehmerin zugute. In den anderen Bereichen lernte ich schlichtweg mit den Herausforderungen umzugehen. Rückblickend musste ich auf vieles einfach schnell reagieren.

Sie haben sich auch für die Rechte der Frauen eingesetzt.
Das habe ich mich vor allem im Landesverband der Handwerker, die im Handwerk lange gar nicht erst ver­treten waren. Vor allem war es viel Aufklärungsarbeit, die gemacht werden musste. Daraus entstanden Frauenbewegungen, wie die Arbeitsgemeinschaft „Frau­en im Handwerk“, oder die auf europäischer Ebene tätige „FEM Europe“, kurz für „Frauen Europäischer Mittel- und Kleinbetriebe“. Allgemein standen wir im Verband in engem Austausch mit Österreich und Deutschland, vor allem bei der Ausarbeitung des Lehrlingsvertragswesens.

Als Seniorenvertreterin der SVP haben Sie die Wahlen 2020 hautnah miterlebt. Wie bewerten Sie den Wahlgang?
Für mich war der Ausgang der Wahlen eine große Enttäuschung, da ich darauf gehofft hatte, dass es Richard Stampfl in die Stichwahl schafft. Vor allem hätte Stampfls Unternehmergeist der Stadtgemeinde gutgetan. Es waren, denke ich, am Ende mehrere Faktoren, die bei dieser Niederlage mitgespielt haben. Nicht zuletzt auch das Fernbleiben der älteren Generationen, von denen viele aus Vorsicht nicht zur Wahl gegangen waren.

Sie sind immer noch in Meran politisch aktiv. Was treibt Sie weiter an, in der Politik mitgestalten zu wollen?
Das Parkplatzproblem, das mit der Errichtung der Schule in der Handwerkerzone einherging, ist noch nicht gelöst, deshalb muss ich noch kämpfen. Hinzu kommt, dass ich mich als Seniorenvertreterin nun intensiv für die Belange der Senioren einsetzen will. In diesem Zusammenhang habe ich mit einigen tüchtigen Meranern auch die Arbeitsgruppe „Seniorengemeinschaft Meran“ gegründet, von der man noch einiges hören wird.

von Philipp Genetti