Der Deutschnonsberg hält zusammen

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Der Deutschnonsberg hält zusammen

Durch ihre Abgeschiedenheit haben die Gemeinden Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix, Laurein und Proveis am Deutschnonsberg seit jeher mit großen Herausforderungen
zu kämpfen. Daran hat sich auch in der Coronakrise nichts geändert.

Um mehr darüber zu erfahren, wie es den Standorten am Deutschnonsberg in dieser Krisenzeit geht, haben wir uns mit der Bürgermeisterin von Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix ,Gabriela Kofler, dem Bürgermeister Ulrich Gamper von Proveis und Bürgermeister Hartmann Thaler von Laurein unterhalten.

Proveis
Herr Gamper, in Italien wurden zur Eindämmung des Coronavirus immer strengere Maßnahmen verordnet. Was sind die größten Herausforderungen für die Gemeinde Proveis?
Ulrich Gamper: Infolge der momentanen Situation musste auch bei uns die Arbeit auf Sparflamme heruntergefahren werden. Viele Mitarbeiter müssen Überstunden abbauen oder einen Teil ihres Urlaubes in Anspruch nehmen. Alles verzögert sich; bereits vergebene Aufträge können nicht mehr termingerecht ausgeführt und geplante Arbeiten nicht ausgeschrieben bzw. vergeben werden.

Unter dem Motto #südtirolhältzusammen wird auf den sozialen Netzwerken zu Solidarität und Engagement aufgerufen. Wie hilft man sich in Proveis gegenseitig?
In Proveis leben vorwiegend noch mehrere Generationen unter einem Dach. Dabei gilt das Prinzip: Die jüngere Generation hilft und unterstützt die ältere. Sollte dies nicht der Fall sein, helfen in unserer Gemeinde auch Nachbarn und Freunde bei Besorgungen aus.

Mit welchen Auswirkungen auf die Wirtschaft rechnen Sie in ihrer Gemeinde?
Das Gemeinwohl und die Gesundheit sind zurzeit mehr denn je gefragt. Alle Wirtschaftszweige und auch die Gemeindeverwaltung selbst werden mit Einbußen und Verzögerungen bei Förderungen durch die öffentliche Hand rechnen müssen. Das konkrete Ausmaß der Krise ist aktuell schwer abschätzbar.

Die Gemeinden Laurein und Proveis haben sich aufgrund ihrer Abgeschiedenheit in der Geschichte schon oft selbst helfen müssen. Gehen Sie davon, dass das auch jetzt wieder der Fall sein wird?
Die Gemeinden Proveis und Laurein sind noch gut landwirtschaftlich strukturiert. In schwierigen Zeiten hat sich die Landwirtschaft immer leichter getan als andere Wirtschaftszweige. Außerdem bestehen die Gemeinden Proveis und Laurein aus Streusiedlungen mit verschiedenen Hofgruppen; Menschenansammlungen sind dadurch leichter zu vermeiden als in einer Großgemeinde oder in einer Stadt.

Welche Hilfen sind in Krisenzeiten von einer funktionierenden Dorfgemeinschaft zu erwarten?
Die Grundversorgung für Nahrungsmittel und Medikamente müssen Vorrang haben, ebenso die medizinische Betreuung durch den Hausarzt und den Rettungsdienst sowie andere soziale Dienste wie Hauspflegedienst und „Essen auf Rädern“.

Wie sehen Sie die Zukunft angesichts der Herausforderungen, vor denen wir jetzt stehen?
In Zukunft werden wir alle mit Abstrichen rechnen müssen. Die verschiedenen Wirtschaftszweige wie das Handwerk, die Industrie, der Tourismus und auch die Landwirtschaft werden über Jahre hinweg an den Folgen der Carona-Krise zu leiden haben. Die staatlichen Mehrausgaben müssen früher oder später einmal zurückgezahlt werden. Und wer zahlt diese? Die Steuerzah und das sind wir alle.

Die Natur steht am Deutschnonsberg im Vordergrund

Laurein
Auch Bürgermeister Hartmut Thaler von Laurein sorgt sich um seine Gemeinde. In einem früheren Interview mit der BAZ hat er von den fortschreitenden Arbeiten am Glasfasernetz in der Gemeinde gesprochen.
Hartmut Thaler: Das Projekt Glasfasernetz konnten wir im Jahre 2018 abschließen. Die privaten Anschlüsse sind im Jahre 2019 erfolgt. Somit können alle vom schnellen Internet und vom Smart Working profitieren. Damals war unsere rasche Vorgehensweise der Abgelegenheit geschuldet. Niemals hätte man an die Notwendigkeit einer zukünftigen Pandemie in Betracht gezogen.

Der Austausch mit dem Trentino hat am Deutsch­nonsberg eine lange Geschichte, der vor allem in Krisenzeiten zu Gute kam. Wie sehen Sie das im Zusammenhang mit der Coronakrise?
Die jetzige Situation stellt uns vor neue Herausforderungen. Wir haben sowohl Pendler und Betriebe, die im Burggrafenamt arbeiten als auch im Trentino. Das zwingt uns, die Informationen von beiden Seiten einzuholen. Der Zusammenarbeit und der Offenheit unseres Grenzgebietes tut dies jedoch keinen Abbruch.

Was hat sich durch Corona in Ihrer Gemeinde verändert?
Das Alltagsleben hat sich auch in unserer Gemeinde stark verändert. Wenn man bedenkt, dass der Kindergarten , die Grundschule , die Mittelschule und die zwei Dorfgasthäuser geschlossen sind und die Handwerksbetriebe ihre Tätigkeit auch nicht ausführen können, so beschränkt sich das Dorfleben auf das Lebensmittelgeschäft.

 

Unsere Liebe Frau im Walde/St. Felix
Unsere Liebe Frau im Walde-St. Felix ist die wirtschaftlich stärkste Gemeinde am Deutschnonsberg, wovon vieles auf das Handwerk zurückzuführen ist. Wie wird das aber in Zukunft für die Gemeinde aussehen? Bürgermeisterin Gabriela Kofler steht uns dazu Rede und Antwort.
Gabriela Kofler: Die kleinen und mittleren Handwerksbetriebe in der Gemeinde haben sich in den letzten Jahrzehnten eine Existenz mit viel Mühe und Fleiß aufgebaut und sich auch mit Erfolg weit über die Gemeindegrenzen hinaus gearbeitet. Es sind zum Großteil Familienbetriebe, die auch vielen Familien vor Ort zum Lebensunterhalt beitragen. Ich bin zuversichtlich, dass diesen Betrieben weiterhin mit viel Einsatz und Mühe der Fortbestand gelingen wird.

Wie werden Betriebe während der Coronakrise unterstützt?
Der Gemeindebetrieb selbst wird weitergeführt, wenn auch in reduziertem Ausmaß, um unabdingbare und dringendste Angelegenheiten zu gewährleisten. Dazu gehören die Zahlungen von Verbindlichkeiten gegenüber Auf­tragnehmern, Lieferanten und Betrieben. Andererseits hat die Gemeinde gemäß den Vorgaben des Staates und des Landeshauptmannes alle Steuereinnahmen, sprich Müll und Wasser usw. ab dem Datum der Anordnung ausgesetzt. Als Bürgermeisterin habe ich in dieser Krisenzeit, die uns alle aus heiterem Himmel getroffen hat, Sorgen um unsere Handwerker und Betriebe wegen der wirtschaftlichen Einbußen und die Ungewissheit, was uns die Zukunft noch bringen wird.

Welche Herausforderungen sehen Sie in Zukunft auf uns zukommen?
Die Gegenwart wird uns mahnend lehren, wo die Politik in Zukunft andere Weichen als bisher stellen muss. So sollte mehr auf regionale Kreisläufe gesetzt und der kleinstrukturierte Markt gefördert werden. Die überregionalen Zusammenschlüsse und die Großkonzernwirtschaft haben den heimischen Markt und viele lokale Betriebe stark zurückgedrängt. Die Globalisierung der Wirtschaft sollte überdacht werden. Ebenso erkennen wir, dass im Gesundheitswesen jede Einsparung riskante Folgen für die Gesellschaft mit sich bringt.

Ist die Grundversorgung in einer entlegenen Gemeinde gesichert?
In diesen Zeiten haben wir festgestellt wie unverzichtbar die Nahversorgung durch unsere drei Lebensmittelgeschäfte ist.

von Philipp Genetti