Tunnels: Arbeiten in St. Lorenzen, Kastelbell und am BBT gehen voran
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Wie im echten Leben

Immerzu wird gesucht: Dieter Bohlen sucht Deutschlands Superstar, Heidi Klum sucht das nächste Topmodel und bei RTL sucht der Bauer eine Frau. „Supertalent“, „Let´s dance“
oder „The Voice of Germany“, Casting- und Datingshows fesseln ein Millionenpublikum.

Anna Zuegg überzeugte bei ihrem Auftritt

Anna Zuegg überzeugte bei ihrem Auftritt

Erinnern Sie sich noch an „Herzblatt“? Mann suchte Frau bzw. Frau suchte Mann. Der Clou: Die Flirtpartner hatten sich zuvor noch nie gesehen und waren während der Sendung durch eine Wand voneinander getrennt.
18 Jahre lang hat die Flirtsendung „Herzblatt“ zwar keine glücklichen Paare produziert, dafür aber die Zuschauer gut unterhalten. 1991 heiratete der Vahrner Rainer Kirchler sogar sein „Herzblatt“, die Düsseldorferin Birgit Latzen dann wirklich. Eine bessere Gelegenheit daraus Profit zu schlagen, hätte es für die Produktionsfirma wohl kaum gegeben. Gehalten hat die Ehe allerdings nicht.
2015 war Petra Colafati Südtirols Aushängeschild beim „Bachelor“ auf RTL. Die ehemalige Miss-Südtirol kam auch ein paar Runden weiter. In der 3. Folge verabschiedete sich die Eppanerin dann aber von selbst aus der Kuppelshow. War es ihr zu blöd geworden?
Keine guten Erfahrungen machte der Kalterer Günther Ambach, der 2014 bei der Doku-­Soap „Bauer sucht Frau“ mitgemacht hat. In den sozialen Medien wurde der Weinbauer regelrecht vorgeführt, nachdem RTL ihn gänzlich negativ rüberkommen ließ. „Um die Quoten nach oben zu treiben, wurde sämtliches Filmmaterial darauf durchforstet, um Günther möglichst negativ dastehen zu lassen. Und der Schnitt besorgte dann den Rest und machte aus einem Topkandidaten einen arroganten, unsensiblen Macho“, kommentierte in einem späteren Interview sein Freund Günther von Ach den Shitstorm, den der Eppaner über sich ergehen lassen musste.

Jonas Oberstaller, erfolgreich bei „Voice of Germany “

Jonas Oberstaller, erfolgreich bei „Voice of Germany “

Julia Forcher aus Kastelbell hat 2018 bei der Schweizer Ausgabe von „Der Bachelor“ mitgemacht. Rückblickend fand sie in einem Interview der „Tageszeitung“ kaum ein gutes Wort über die Sendung. Bald schon wurde ihr klar, dass hinter der Datingshow ein großes Geschäft sowohl für Produzenten, manchmal aber auch für die Frauen selbst steht. Viele von ihnen seien Influencerinnen, die durch die Medienpräsenz so ihre Comunity erweiterten. Problematisch findet Forcher allerdings das Frauenbild, das in solchen Sendungen vor allem jungen Mädchen und Buben vermittelt wird. Besser erging es dem Pustertaler Sänger Jonas Oberstaller, der sich 2017 mit seinem Auftritt bei der Casting-Show „The Voice of Germany“ einen Namen machte und seitdem als Musiker erfolgreich unterwegs ist. Auch Anna Zuegg bereut ihren Auftritt bei „The Voice of Germany“ nicht. Durch ihre Teilnahme 2015 haben sich für die Lananerin Türen in der Musikszene geöffnet. Im August hat sie heuer ihre erste Single mit dem Titel „So laut“ präsentiert.

Wie im richtigen Leben?
Vom „Bachelor“, „Bachelorette“ über „Frauentausch“; Bauer, Schwiegermutter, Superstar oder Topmodel gesucht bis hin zum Dschungelcamp; die Wollnys, die Geissens, Love Islands, Big Loser und dergleichen mehr: Was hält so viele Zuschauer Staffel für Staffel vor dem Bildschirm? Die Antwort: Das sei spannend! So viele verrückte Typen. So lustig und direkt aus dem Leben gegriffen! Wer Menschen und ihr Tun und Lassen sehen möchte, nutzt die Angebote des „Reality-Fernsehens“. Wir sind halt „wundrig“, und in den meisten von uns steckt ein kleiner Voyeur. Hohe Einschaltquoten bestätigen die Attraktivität der Programme.
Ihnen ist gemeinsam, dass sie den Anspruch erheben, Realität zu zeigen, was zur Vorstellung führt, es mit „wirklichen Menschen“ zu tun zu haben, die keinem Drehbuch folgen. Dass dahinter aber ein großes Geschäft steht, nicht selten auch auf Kosten von Menschenverachtung, wird ausgeblendet. Narzissmus, Sexismus, Hemmungslosigkeit, zunehmende Darstellungssucht rücken in den Fokus. Menschenverachtend wird es, wenn Beteiligte möglichst dümmlich, hässlich oder negativ dargestellt werden, nur damit der Zuschauer sich daran ergötzen oder erregen kann. Anderen beim Verlieren oder Vernichtetwerden zuzugucken, macht anscheinend TV-Voyeuren Spaß. Das Internet sammelt im Anschluss die Kommentare.

Petra Colafati, Südtirols Aushängeschild beim „Bachelor“ 2015

Medienbluff

ZDF-Moderator Jan Böhmermann, der wegen seines Spottgedichts auf den türkischen Präsidenten Erdogan in die Schlagzeilen geraten ist, hat 2016 die zweifelhaften Methoden von „Schwiegertochter gesucht“ aufgedeckt. Der Redaktion des „Neo Magazin Royale“ war es gelungen, einen Schauspieler in die RTL-Kuppelshow einzuschleusen – und die Sendung als zynisches Machwerk zu entlarven. Mit mehr als 10 Millionen Aufrufen auf Youtube (youtube.com/watch?v=mG_Fyc-nyOs) hat das Video für Furore gesorgt. Unbeantwortet bleibt die Frage: Warum sind Dating- und Castingshows, Reality-TV und Doku-Soaps so beliebt? Weltweit gibt es die gleichen Formate, rund um den Globus schauen sich Millionen von Menschen dieses „wahre Leben“ an. Sind es Voyeurismus, Schadenfreude, Verdummung oder ist es die romantische Hoffnung auf ein Happy End, auf Ablenkung von dem Alltag, die Flucht in Traumwelten, ein Mitfiebern mit den Gefühlen anderer? Wahrscheinlich beides ein wenig.

„Es war eine sehr schöne Zeit mit vielen neuen Erfahrungen“
Klaudia Forcher erinnert sich gern an ihre Teilnahme im heurigen Mai an der beliebten Datingshow „Take me out“
„Take me out“, was so viel wie „Führ mich aus“ bedeutet, ist eine deutsche Datingshow, die seit 2013 auf RTL läuft. Während einer Sendung werden drei Männer vorgestellt. Jeder versucht 30 Single-Frauen von sich zu überzeugen und ein anschließendes Date mit einer von ihnen zu erreichen. Die Kastelbellerin Klaudia Forcher war im Mai am Set in Köln dabei.

BAZ: Hallo Klaudia, gut zurück aus Köln?

Klaudia Forcher vor ihrem Auftritt bei „Take me out“

Klaudia Forcher: Das ist schon eine Weile her, aber ich erinnere mich noch gern an die Woche in Köln. Wir waren eine tolle Frauengruppe, hatten viel Spaß miteinander, und Ralf Schmitz ist ein hochprofessioneller Moderator, der sich stets um uns bemüht hat. Ich habe am Set viele neue Erfahrungen machen können und die Zeit sehr genossen. Mit mehreren Teilnehmerinnen habe ich Freundschaften geschlossen, wir treffen uns heute noch.

Wie sind Sie zur RTL-Dating-Show „Take me out“ überhaupt gekommen?
Das war vor gut einem Jahr in München, da wurde ich von einer Agentur angesprochen, ob ich In­teresse hätte, an einer Dating­show mitzumachen.
Eigentlich wollte man mich für den „Bachelor“ oder „Temptation Island“ gewinnen, aber das hätte eine längere Auszeit verlangt. So entschied ich mich für „Take me out“, wofür ich mir nur eine Woche frei nehmen musste. Ich musste nicht einmal ein Casting machen. Im Februar wurde ich von RTL angeschrieben, im Mai war ich zu den Dreharbeiten schon in Köln.

Warum haben Sie mitgemacht?
Ich wollte einen Einblick in die Fernsehwelt bekommen, das war meine Hauptmotivation. Einmal sehen, wie es bei den Shows zugeht, und ich wollte eine schöne Zeit haben, was dann ja auch so gekommen ist. Sollte ich auch noch jemanden dabei kennen lernen, dann wäre das ein schöner Nebeneffekt für mich gewesen. Effektiv wurde ich dann auch von einem der Teilnehmer „gedatet“, aber eine tiefere Beziehung ist daraus nicht entstanden.

Was passiert so am Set? Wie muss man sich die Drehtage vorstellen?
Die ganze Show wird wirklich gut von Ralf Schmitz moderiert. Man muss aber schon der Typ dafür sein. Nervös war ich nie. Ich war immer authentisch, zeigte mich so, wie ich bin, und habe mich nicht verstellt. Auch bemühte ich mich um eine gute Stimmung, die wir dann auch hatten.

Um Quoten zu erreichen, würden einige Produzenten von Casting- oder Datingshows die Teilnehmer bewusst zu Witzfiguren machen und sie in ein schlechtes Licht rücken. Trifft das aus Ihrer Erfahrung zu?
Das trifft auf einige Formate sicher zu, nicht auf „Take me out“. Zwar wurden auch einige meiner Aussagen so zugeschnitten, wie es der Regie passte, aber damit muss man leben. Jede bzw. jeder, der bei Dating-, Castingshows oder Reality-Soaps mitmacht, muss sich das im Klaren sein. Und das große Geld macht man damit auch nicht.

Wie haben Bekannte und Umwelt auf Ihre Teilnahme bei „Take me out“ reagiert?
Ganz gut, auch wenn sich einige wunderten, dass ich „Keinen“ finde (schmunzelt).

Und wie waren die Reaktionen in den sozialen Medien?

Klaudia Forcher mit RTL-Moderator Ralf Schmitz und ihrem Datingpartner

Großteils sehr gut. Auf einem Mitschnitt von mir auf der RTL-Facebook-Seite habe ich über 2000 nette Kommentare erhalten. Aber man muss sich auch im Vorhinein schon im Klaren sein, dass es auch negative Kommentare geben wird. Sich dann als „Opfer“ hinzustellen, ist halt etwas blauäugig.

Würden Sie es noch einmal machen?
Es war eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Aber wir leben in Südtirol nicht in einer Großstadt. Hier kennt jeder jeden. Außerdem sind die Studios auch nicht gerade in der Nähe.

Sie haben auch ein Musikvideo aufgenommen. War die Teilnahme bei „Take me out“ für Ihre Karriere nützlich?
Jedenfalls konnte ich wertvolle Erfahrungen sammeln, und so manche Tür öffnete sich dadurch auch. Mal schauen, was sich ergibt.

Was würden Sie all jenen empfehlen, die bei einer Casting- oder Datingshow mitmachen möchten?
Sich vorher gut überlegen, worauf man sich einlässt! Den 40-seitigen Vertrag, den man unterschreibt, sollte man auch lesen, auch wenn die wenigsten das machen. Ich würde mir auch vorher genau anschauen, wofür man sich meldet und inwieweit sich das mit der eigenen Persönlichkeit vereinbaren lässt.

von Josef Prantl