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Stefan Frötscher

Geburtstagsüberraschung für Zenzi Glatt

Stefan Frötscher ist der Sozialstadtrat Merans. Seine Aufgaben sind umfangreich: Kindergarten und Kinderbetreuung, deutsches Schulwesen, Wohnbau, Sozial- und Fürsorgewesen, Menschen mit Behinderung, Familie, Senioren, Gesundheitswesen und Hygiene sowie öffentliche Bauten.

Verdiente Meraner: Bürgermeister Paul Rösch und Sozialstadtrat Stefan Frötscher empfangen Enzo Dellantonio, Andreas Marth und Hubert Brugger

Vielen ist Stefan Frötscher als Leiter der Meraner Zweigstelle des Katholischen Verbandes der Werktätigen bekannt. Als Politiker vertritt er innerhalb der Südtiroler Volkspartei die Arbeitnehmer.
Ausgewogene Sozialpolitik ist ihm ein Herzensanliegen. Seit nun schon bald 10 Jahren ist er Stadtrat in Meran. Der gebürtige Passeirer gilt als umsichtiger, geduldiger und weltoffener Mensch, der den Kontakt zur Basis pflegt und für jeden Zeit und ein Ohr findet. Das politische Geschäft würde man ihm auf den ersten Blick weniger zumuten. Was hat ihn bewogen, in die Politik zu gehen, und wie blickt er auf seine „politischen“ Jahre zurück? Ein Gespräch mit Stefan Frötscher, nicht nur über Politik.

BAZ: Herr Stadtrat, wie geht es Ihnen?
Stefan Frötscher: Mir geht es gut. Ich bin mit meinem Leben sehr zufrieden. Ich habe eine tolle Familie und gute Freunde, einen interessanten Beruf und als Sozialstadtrat eine Aufgabe, die zwar nicht ganz einfach ist, mich aber sehr erfüllt. Ich bin ein optimistischer Mensch. Ungerechtigkeiten, vor allem gegen schwache und benachteiligte Menschen, berühren mich sehr – vor allem solche, denen man nicht gleich beikommt. Traurig macht mich, wenn soziale Anliegen hintenangestellt werden und Lobbyinteressen weichen müssen. Eigentlich tragen wir alle soziale Verantwortung!

Sie sind vielen als Merans Sozialstadtrat bekannt. Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie in die Politik gingen?
Ich habe mich eigentlich immer schon in irgendwelchen Gremien eingebracht. Angefangen hat dies als Verwaltungsrat im „Carolinum“ und im Schülerheim „San Nicoló“. Und irgendwann hat mich dann der ehemalige Sozialstadtrat Hermann Raffeiner ermutigt, den Vorsitz des SVP-Sozialausschusses zu übernehmen. Das habe ich dann auch gern gemacht. Da lag es nahe, auch bei den Gemeinderatswahlen anzutreten. 2005 war das. Es war schon überraschend, gleich als Meistgewählter in den Gemeinderat einzuziehen (mit 1425 Stimmen, Anm. d. Red.). Und mit Luis Gurschler, Peter Enz und Gerhard Hölzl waren noch weitere engagierte Arbeitnehmer-Gefährten unter den ersten fünf Gewählten. In der Folge ist es uns gemeinsam gelungen, starke soziale Akzente zu setzen – so wie es schon mein Mentor Hermann Raffeiner getan hat.

Wie sah Ihr Leben vorher aus?

Lokalaugenschein auf der Baustelle in Sinich: Ing. Rupert Cristofoletti und Ing. Mario De Martin mit Stadtrat Stefan Frötscher

Ich war lange Zeit im Vorstand der KVW-Ortsgruppe Meran tätig, auch im Bibliotheksrat, ich war Lektor und Pfarrgemeinderatsmitglied von „Maria Himmelfahrt“, Schulratspräsident am Humanistischen Gymnasium „Beda Weber“, Vorstand des FC Obermais, um die wichtigsten Etappen zu nennen. Langweilig wurde mir eigentlich nie. Ich war immer schon sehr aktiv und habe mich in Vereinen und Verbänden engagiert – neben meiner langjährigen Tätigkeit als KVW-Bezirkssekretär. Und dann selbstverständlich auch noch die Familie… und der Sport. Um die Frage aber kurz zu beantworten: Vor meinem Einstieg in die Politik hatte ich mehr Zeit für mich und das Privatleben. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich mich heute anders entscheiden würde. Genauso würde ich es wieder machen!

Was macht Stefan Frötscher, wenn er einmal nicht arbeitet?
Ich arbeite sehr gern. Als Stadtrat bin ich viel unterwegs und komme mit vielen Menschen zusammen. Ihnen ehrlich und aufmerksam zuzuhören und gemeinsam Probleme zu lösen, ist mir ein Anliegen und nicht Arbeit, die mich belastet. Ich mache das sehr gerne. Auch wenn es viel Zeit in Anspruch nimmt. Selbstverständlich freue ich mich auch auf die Momente mit meiner Familie und auf kulturelle Veranstaltungen jeglicher Art. Ich genieße es, zu Konzerten und Theateraufführungen zu gehen, und vor allem lese ich sehr gern und viel: pro Woche mindestens ein Buch. Meist spannende nordische Krimis, aber nicht ausschließlich, abends im Bett, bis mir die Augen zufallen.

Wie schreibt sich Ihre Kurzbiografie?
Da gibt’s nichts besonders Spannendes: Geboren 1958 in St. Martin in Passeier, Mittel- und Oberschule bei den „Fränzi“ (Franziskaner-Gymnasium, Anm.d.R.) in Bozen. In Meran lebe ich seit 1984. Mit meiner Frau Gerlinde habe ich drei Söhne, Clemens, Moritz und David. Eigentlich wollte ich davor auch zu universitären Ehren kommen, habe mich in Innsbruck und Trient eingeschrieben, aber nie abgeschlossen. Nichts besonders Interessantes also. Außer vielleicht meine Zeit als Fußballer in der Oberliga beim FC St. Martin und FC St. Pauls. Das war eine tolle Zeit, aber das ist auch schon lange her.

Wie würden Sie Ihr politisches Credo zusammenfassen?

Die zwei SVP-Stadträte Gabriela Strohmer und Stefan Frötscher

Ehrlich zuhören, es auf den Punkt bringen und dann versuchen Lösungen aufzuzeigen; Menschen zu helfen, vor allem jenen, die in Not geraten sind; und auch jenen, die einfach nicht die Chance haben, ein gutes Leben zu führen. Das ist irgendwie mein Credo! Möglich ist das nicht nur in der Politik. Sehr viele Menschen – auch in Zeiten, in denen der Egoismus zunimmt – setzen sich für ihre Mitmenschen ein. Gerade auch in Meran. Organisiert in Gruppen, Vereinen und Verbänden. Oder auch nur durch persönliche kleine Gesten. Was ich gar nicht mag, das ist Streit. Ich stehe aber zu fairen Diskussionen mit unterschiedlichen Standpunkten, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Oberflächliche Streitereien verabscheue ich.

Man weiß, dass Sie mit Bürgermeister Paul Rösch gut auskommen. Was schätzen Sie an ihm besonders?
Wir schätzen uns gegenseitig, arbeiten gut zusammen und respektieren den jeweiligen Einsatz und die Art zu arbeiten. In meinem politischen Zuständigkeitsbereich habe ich weitgehende Autonomie, was mir auch wichtig ist. Ich versuche, die drängenden Themen anzugehen und etwas weiterzubringen. Dabei bemühe ich mich um Sachlichkeit in der politischen Auseinandersetzung. Und zu argumentieren. Umso besser, wenn’s dann auch auf der persönlichen Ebene passt. Wenn aber Kritik auszusprechen ist, dann mache ich das. Auch gegenüber dem Bürgermeister. Das war bei Günther Januth so – und ist auch bei Paul Rösch so.

Trotzdem ist Ihre Partei, die SVP, nicht immer glücklich, mit der „Liste Rösch/Grüne“ im selben Boot zu sitzen. Belastet Sie das nicht bei Ihrer Arbeit?
Wie gesagt, für mich steht grundsätzlich die Sachpolitik im Vordergrund – mir geht es nicht so sehr um parteipolitische Machtspielchen. Ich muss an dieser Stelle aber auch einmal eine Lanze für meine Partei brechen: Da wird immer wieder das Klischee bedient, die Südtiroler Volkspartei könne nicht mit dem Koalitionspartner. Das stimmt so nicht. Vielleicht mag das einmal so gewesen sein. Wir hatten bis vor fünf Jahren eine andere Rolle – wir sind aber doch immer noch tragend. Und ich glaube doch, dass meine Kollegin Gabi Strohmer und ich mit unserer Arbeit deutliche Akzente für Meran setzen. Gestützt von den SVP-Gremien. Und in diesen wird nicht, wie oft vermutet, bei jeder Sitzung dem Verlust des Bürgermeistersessels nachgetrauert: Da geht’s immer um Sachthemen. Oft kontrovers, aber immer um die Sache.

Wie kommt es, dass Sie nicht in der SVP-Bezirksleitung des Burggrafenamtes vertreten sind? Wünschten Sie sich manchmal nicht etwas mehr Rückhalt von Ihrer Partei?
Ich könnte in vielen SVP-Gremien sitzen – auf Bezirks- und auch auf Landesebene. So ein großer Andrang für diese ehrenamtlichen Tätigkeiten herrscht nun auch wieder nicht. Man wollte mich auch für eine Kandidatur bei den Landtagswahlen gewinnen. Aber nein. Meine Rolle ist eine andere: Ich habe mich bewusst dafür entschieden, in und für Meran politisch zu arbeiten. Nicht auf verschiedenen Hochzeiten zu tanzen – und auch nicht „Karriere“ zu machen. Mir liegt eine gute Sozialpolitik für Meran am Herzen. Und dafür setze ich mich mit meiner ganzen Kraft und meiner ganzen Zeit ein. Die diesbezügliche Motivation hat eigentlich nie nachgelassen. Und ich wollte auch nie mehr!

Sie haben den großen sozialen Bereich als Stadtrat übernommen. Was waren in den vergangenen Jahren Ihre großen Herausforderungen?

Baustellenbesichtigung des neuen Kur- und Pflegeheimes St. Josef

Da ging es vor allem darum, diesem Bereich eine Stimme zu geben. Diese muss nicht unbedingt laut sein. Schlussendlich zählt das, was verwirklicht wird. Konkret geht es um Strukturen: um Kindergärten, Schulgebäude, Seniorenwohnungen usw. Meran steht diesbezüglich gut da. Dieses Niveau ist nicht nur zu halten – es muss auch kontinuierlich verbessert werden. Und es kommen auch neue Entwicklungen und Herausforderungen hinzu, die berücksichtigt werden müssen. Vor allem, dass es mehr Kindergärten, mehr Schulgebäude und mehr Seniorenwohnungen bräuchte, die zur Verfügung stehenden Geldmittel aber nicht mehr werden. Als Stadtrat für öffentliche Bauten und in der letzten Legislatur auch für Mobilität blicke ich auf einige Erfolge zurück, die mich freuen. Ich denke unter anderem an die Einführung der Fußgängerzone in der Freiheitsstraße, an die Neugestaltung der Dantestraße in Obermais mit Einbahnregelung, des Pfarrplatzes und des Theaterplatzes oder der Matteottistraße in Untermais. Der Umbau der deutschen Musikschule in der 30.-April-Straße, der Mittelschule Maiense und von Martinsbrunn sind nur einige Beispiele des öffentlichen Bausektors. Mit dem Umbau des St.-Josefs-Heims in der Innerhoferstraße, der Errichtung von Seniorenwohnungen in der Wolkensteinstraße, der Fertigstellung der neuen Schule in Sinich und der Feuerwehrhalle in Labers konnten wir doch so einiges verwirklichen, was wir uns vorgenommen hatten.

Was freut Sie persönlich besonders?
Ich glaube, da geht es allen Menschen gleich, die im sozialen Bereich arbeiten: Selbstverständlich ist es eine große Genugtuung, wenn große Bauprojekte abgeschlossen werden. Aber noch mehr freut es mich, wenn ich merke, jemandem wirklich geholfen zu haben. Wenn Menschen, die sich in einer schwierigen Lage befinden, auch Momente des Glücks erleben können… Das ist dann nicht nur mein Verdienst. Auch wenn das Dankeschön sehr oft an mich gerichtet wird. Da stecken viele engagierte Leute dahinter – um zwei konkrete Namen aus der Gemeindeverwaltung zu nennen: Sabine Raffeiner und Brigitta Dunkl. Aber noch viele, viele andere Mitarbeiter, die mehr als nur „Dienst nach Vorschrift“ leisten. Beschäftigt im Rathaus – und auch draußen als Ehrenamtliche. Gerade Letztere helfen oft da sehr unkompliziert, wo die Bürokratie dies verhindert.

Und was waren Tiefschläge, die schwer zu verkraften waren?
Trotz vieler Bemühungen können nie alle sozialen Ungerechtigkeiten aus der Welt geschafft werden. Es gibt da Fälle, die einfach schwierig zu lösen sind. Aus ganz unterschiedlichen Gründen. Das tut dann schon auch weh. Und belastet. Nicht nur mich. Auch viele Mitarbeiter nehmen Tag für Tag viele berufliche Sorgen mit nach Hause. Schmerzlich ist für mich, wenn langjährige politische Mitstreiter einen im Regen stehen lassen, weil ihnen Entscheidungen nicht passen.
Es heißt, Meran sei besonders lebenswert. Mit der Sicherheit sieht es aber nicht so gut aus, wie die letzten Vorfälle zeigen.
Ich kann die diesbezüglichen Ängste der Menschen verstehen; aber trotzdem dürfen wir dieses Feld nicht den Populisten überlassen: Diese reißen bei allem groß ihr Maul auf – konkrete Lösungen haben sie aber nie zu bieten. Wir dürfen die Situation aber auch nicht durch die rosa Brille sehen. Man kann auch die jüngsten Vorfälle nicht verleugnen und muss etwas tun. Einerseits sind Maßnahmen zu ergreifen, damit es nicht so weit kommt. Also professionelle Prävention! Nicht nur Lippenbekenntnisse, wenn wieder einmal etwas passiert ist. Andererseits braucht es aber auch Konsequenz, ich will nicht von Repression sprechen, aber wenn Gesetze verletzt werden, dann sind die vorgesehenen strafrechtlichen Folgen auch umzusetzen. Mehr Sicherheit ist nur möglich, wenn alle an einem Strang ziehen – die verschiedenen Polizeikräfte sind gefordert, aber nicht nur sie allein sind am Zug.

Sie sind für die alten Menschen zuständig. Ist die Stadt ausreichend vorbereitet auf die alternde Gesellschaft?
Ich denke, dass in der Vergangenheit schon gute Arbeit geleistet worden ist. Und auch gemeinsam mit Bürgermeister Günther Januth ist es seinerzeit gelungen, konkrete Weichenstellungen für die Zukunft vorzunehmen. Schon frühzeitig haben wir uns damit auseinandergesetzt, wie die Bevölkerung in 10 bis 20 Jahren zusammengesetzt sein wird. Und welche Notwendigkeiten bestehen werden – für die immer älter werdende Gesellschaft, die entsprechende Strukturen benötigt. Und ebenso für die neue Generation, die anders zusammengesetzt sein wird – und neue Bedürfnisse hat. Es geht darum, vorausschauend Strukturen zu schaffen. Momentan errichten wir ja mehrere Einrichtungen für begleitetes Woh­nen; am Herzen liegt mir das generationenübergreifende Wohnen am Beispiel der Eucharistiner am Winkelweg, das in den nächsten Jahren entstehen wird. So wie wir auch mehrere Seniorenwohngemeinschaften planen. Ganz einfach ist es nicht, diese neuen Modelle und Alternativen zu den Seniorenheimen umzusetzen: Denn es geht auch immer ums Geld, das aus einem immer kleiner werdenden Topf kommt. Und andere Bereiche möchten aus diesem auch etwas haben. Da muss man beharrlich sein.

Wechseln wir Thema: Sehen Sie sich als typischen Politiker bzw. was macht in Ihren Augen einen guten Politiker aus?
Politiker haben einen sehr schlechten Ruf. Ob zu Recht oder Unrecht sei dahingestellt. Diesbezüglich hoffe ich, nicht als solcher wahrgenommen zu werden. Parteipolitik interessiert mich auch nicht wirklich – mein Einsatz gilt der Sachpolitik: für die Menschen etwas weiterbringen. Ich bin gewählt worden: Nicht um mich selbst zu verwirklichen. Ich habe den Auftrag erhalten, stellvertretend gewisse Dinge weiterzubringen. In einem gewissen Sinne bin ich also ein Angestellter der Meraner Bürger. Sie können mich auch wieder entlassen, d. h. mir bei den Wahlen nicht mehr ihr Vertrauen schenken. Gute Politik stellt für mich stets den Menschen in den Vordergrund – besonders den schwachen, benachteiligten Menschen. Gute Politik bedeutet, sich auch um kleine Probleme zu kümmern. Und: Politik heißt Ent­scheiden und Umsetzen – oft auch unpopuläre Maßnahmen, auch wenn’s keine großen Schlagzeilen bringt.

Im kommenden Mai stehen Gemeinderatswahlen an. Treten Sie wieder an und wenn ja, auch für den Bürgermeisterposten?
Ich bin wirklich sehr gerne Sozial­stadtrat in Meran. Die angefangene Arbeit möchte ich auch sehr gerne fortführen – und mich gleichzeitig in den nächsten Jahren auch dafür einsetzen, dass neue soziale Kräfte ihren Weg in die Politik finden. Das ist nicht ganz einfach, aber dringend nötig. Die Bürgermeister-Frage hat sich von selbst erledigt: Ich glaube, dass die Südtiroler Volkspartei mit dem unabhängigen Ri­chard Stampfl eine Idealbesetzung für dieses Amt gefunden hat: einen, der klare Entscheidungen trifft und diese rasch umsetzt – für alle Meraner. Ich möchte ihn dabei tatkräftig unterstützen!

von Josef Prantl