Damit das Traumhaus kein Traum bleibt

Von der Bozner Straße bis zum Tribusplatz
9. Oktober 2018
Rund ums Schaf bei der 3. „Wollstraße“
9. Oktober 2018
Alle anzeigen

Damit das Traumhaus kein Traum bleibt

Ob Wohnen gelingt, hängt von sehr vielen funktionalen, technischen und psychologischen Bausteinen ab. Damit das Eigenheim ein Traumhaus wird oder sich Schritt für Schritt zu einem solchen entwickelt, gilt es einige Aspekte zu beachten.

Wie man sich eine Wohlfühlatmosphäre schafft, wie die wohnpsychologische Qualität verbessert werden kann, worauf es von Planung bis Einrichtung ankommt, darüber haben wir mit Architektin Helene Fisch­naller gesprochen. Die Akademikerin, welche an der TFO Meran Planung und Bau­we­sen, Bau­leitung und Vermessung unterrichtet, schreibt derzeit an der Fakultät für Ar­chi­tektur an der Universität Innsbruck ein For­schungsdoktorat zu Ar­chitektur, Päda­gogik sowie Psychologie und setzt sich mit Ar­chi­tekturpsychologie auseinander.

Wie wirkt sich die Gestaltung von Gebäuden auf das Wohlbefinden der darin lebenden Menschen aus?

Helene Fischnaller

Helene Fischnaller: Raumgestaltung beeinflusst die Wechselbeziehung von Mensch und Wohnraum. Wie wir den Raum wahrnehmen und welche Bedeutungen bauliche Merkmale und bestimmte Materialien für den Ein­zel­nen haben, hängt mit persönlichen Erin­ne­rungen zusammen. Welche Erinnerung habe ich an die Küche meiner Ursprungsfamilie? War es ein großer, heller Raum, ein Ort, mit dem ich gute Erinnerungen verbinde? Was hat mir an diesem Raum gefallen, was habe ich als schön empfunden, was hat mich berührt,

was mochte ich nicht? Bevorzuge ich eine offene Wohnraumküche oder reicht eine kleine Küchenzeile? Mit welchen Materialien verbinde ich Geborgenheit, mit welchen Klar­heit und Ordnung? Wenn die Gebäu­de­architektur den funktionalen und technischen An­sprüchen gerecht wird und der Nutzer zu seinem Zuhause eine Beziehung aufbaut, es in Besitz und in Gebrauch nimmt, kann er sich „zu Hause“ und aufgehoben fühlen. Dann wirkt sich Architektur positiv auf das Wohl­befinden aus und Räume fungieren als Rück­zugs-, Erholungs-, Kommu­ni­kations- und Regenerationsort. Als geschützter Raum, der uns Sicherheit und Ge­bor­genheit vermittelt. Damit das Eigen­heim zum Traumhaus wird und bleibt, muss auch die Beziehung zur Umwelt betrachtet werden. Es kann nicht als isoliertes Gebäude gesehen werden, da Woh­nen nicht nur nach innen gerichtet ist, sondern in intensiver Beziehung zur Wohn­um­welt geschieht. Soziale Beziehungen und „klassische“ Um­weltstressoren wie Lärm, Luftver­schmut­zung, hohe Wohndichte und inzwischen auch die Unsicherheit sind mit­entscheidend, ob ich mich in meinem Haus wohlfühle oder nicht. Auch Leitbilder der nachhaltigen Ent­wicklung wie ökologisches und energiesparendes Wohnen beeinflussen unser Emp­fin­den.

Im eigenen Traumhaus sich eine Wohlfühlatmosphäre schaffen. Wie kann dies bei der Planung gelingen?
Aufgabe des Architekten ist es mit dem Ge­bäu­deentwurf über Funktion, Form, Pro­por­tion und Material die Bedürfnisse des Bau­­herrn zu erfüllen.
Für den Schwei­zer Ar­chi­tekten Peter Zum­­thor sollte „gute Ar­chitektur den Men­schen aufnehmen, ihn erleben und wohnen lassen, nicht ihn beschwatzen“. Architekt Quintus Miller vergleicht die Stim­mung der Ar­chitektur mit der Stimmung aus der Musik: Die Geige kann ich stimmen, das ist ein aktiver Pro­zess. Wenn ich als Architekt einen Raum stimme, dann versuche ich seine Masse, seine Ma­terialien und das Licht mit den Bedürfnissen der Nutzer in Ein­klang zu bringen. Am Schluss geht es immer darum, den zu­künf­­tigen Nutzern optimal gestimmte Räume zu schaffen. Voraussetzung, um für den zukünftigen Nutzer optimal gestimmte Räume zu schaffen, ist eine gemeinsame Sprache zwischen Planer und Bauherrn. Menschen mit vertieftem Wissen über Wohnen können Be­dürf­nisse meist klar definieren. Die Kunst des Architekten liegt darin, die Wünsche und Bedürfnisse des Bauherrn aufzunehmen, sie zu verstehen und in gebaute, lebendige Wohnräume umzuformulieren. Nachdem sich unsere Bedürfnisse im Laufe unseres Lebens ändern, erlauben flexible Ge­staltungsmaßnahmen ein Mit­wachsen und ein Sich-Verändern der Räume. Je mehr Ver­än­de­rungsmöglichkeiten vom Ar­chitekten eingeplant werden, um so leichter können Ände­run­gen der Grundstruktur aufgrund Per­sonalisierung der Räum­lich­kei­ten vorgenommen werden.

Wie kann man die wohnpsychologische Qualität verbessern?
Zu den wohnpsychologischen Aspekten zählen funktionale, technische und psychologische Elemente. In erster Linie muss das Raum­konzept auf die dort geplanten Tä­tig­keiten ausgerichtet sein, ergonomische As­pekte berücksichtigen und die Nut­zungs­fle­xi­bilität der Wohnräume über eine günstige Einteilung und Anordnung der Wohnräume ermöglichen. Zu den technischen Elementen zählen die Sta­tik, die Haustechnik, der Ener­gie­ver­brauch, die Belüftung und der Schall­schutz. Wenn ich in meiner Wohnung aufgrund mangelnder Schallschutzmaß­nahmen sämtliche Gespräche meiner Nachbarn mithören kann, werde ich mich in meinem Zu­­hause wegen mangelnder Intimität und Pri­vat­heit nicht wohl fühlen. Genauso unwohl fühle ich mich im Sommer in einer völlig überhitzten Dach­ge­schosswohnung. Die psychologischen Elemente beziehen sich auf die Wech­sel­beziehung zwischen Mensch und Wohnumwelt. Dazu zählen Ge­fühle der Ge­bor­genheit, Ruhe und Sicherheit, Erleben von Wär­me, Licht, Ge­räumigkeit oder Be­engt­heit, Be­dürfnis nach Schön­heit und Äs­thetik, räumliche Orientierung, Ortsbindung und Ortsidentität. Erst im Zusammenspiel dieser Elemente kann eine gute Wohn­at­mos­phäre gelingen. So ermöglicht ein Eigenheim abseits von Siedlungszentren zwar meist eine schöne, freie Aussicht und die Nähe zur Na­tur, dafür erschweren sich soziale Kon­tak­te, oder die Anfahrt zur Arbeitsstelle muss mit dem Auto anstatt mit dem Fahrrad bewältigt werden. Ob Wohnen gelingt, hängt also von sehr vielen funktionalen, technischen und psychologischen Bausteinen ab und kann nur individuell betrachtet werden. Aus der Qua­lität dieser Einzelbausteine ergibt sich für jede spezielle Situation die Ge­samtstimmung.

Wie lässt sich durch die Einrichtung unser Wohlbefinden steigern?
Einrichtungsgegenstände definieren sich genauso wie der Raum über Funktion, Form und Material. Mobiliar, das schön anzusehen ist und seine Funktion erfüllt, unterstützt häus­liche Tätigkeiten. Eine gut geplante und durchdachte Kücheneinrichtung schafft kurze Arbeitswege und somit schnelle Arbeits­abläufe. Ein Sofa, welches angenehmes Sitzen und Entspannen ermöglicht, eine angenehme Oberfläche besitzt, pflegeleicht ist und dessen Farbe den Bewohner in eine gute Stim­mung versetzt, steigert das Wohlbefinden und macht das Sofa zum Lieblingsort. Wohnen wird positiv erlebt, wenn Menschen sich mit ihren Räumen auseinandersetzen, sie mit persönlichen Dingen ausstatten, Bil­der aufhängen oder Pflanzen auf das Fens­terbrett stellen. Auf diese Weise entsteht Zu­gehörigkeit zum Raum und das Wohnhaus wird zum Zuhause, zum individuellen Ort des Wohlfühlens.

Was sollte bei der Raumgestaltung vermieden werden?
Für mich gibt es keine No-Gos in der privaten Raumgestaltung, da diese individuell im Wechselspiel mit dem Bewohner entsteht und absolut persönlich ist. Es kommt vor, dass ich mich in Räume begebe, wo ich keine gute Atmosphäre verspüre. Wo ich das Ge­fühl habe, hier hat sich jemand ohne Sinn für das Schöne mit der Raumgestaltung auseinandergesetzt: Wo der Raum mit vielem Mo­biliar zugebaut ist, wo mit wenigen Hand­griffen ein Bild in die richtige Höhe gerückt werden könnte, wo eine Farbe ungünstig gewählt wurde. Wenn ich nicht nach meiner Meinung gefragt werde, halte ich mich in solchen Situationen zurück. Ich weiß aber, dass ich in solchen Räumen nicht zur Ruhe kommen könnte und dass diese Räume für mich nicht zu einem Zuhause werden könnten.

von Michael Andres