

Regelmäßig werden Aufzählungen veröffentlicht, in denen Menschen, Unternehmen oder Produkte nach ihrem finanziellen Wert gereiht werden. Ginge es darum zu ermitteln, welcher Künstler am meisten für einen gotischen Altar erhalten hatte, würde Hans Schnatterpeck die Liste anführen. Sein Name steht nicht nur für höchste Kunst, sondern auch auf einem Straßenschild in Lana.
Ambrosius Gander war ein gotischer Maler, dessen Bedeutung erst spät erkannt wurde. Nach seinem Tod mussten einige Details geklärt werden: Wer hatte worauf Anspruch, wie hieß sein Sohn wirklich und in welchem Verhältnis stand der Meraner Bürger und Nachlassverwalter Nikolaus Weiss zum Verstorbenen. Weiss, so stellte sich heraus, war Ganders Neffe, und der Sohn Absalon hieß in Wirklichkeit Lienhard. Mehrere Zeugen bestätigten dies vor Gericht. Unter ihnen war ein bekannter Berufskollege von Ambrosius: Hans Schnatterpeck.
Wenig Sicheres
Allzu viel wissen wir von Schnatterpeck nicht. Seine Biographie hüllt sich in einen Schleier. Er dürfte Mitte des 15. Jahrhunderts geboren worden sein. Nahm man zunächst an, dass er gebürtiger Meraner war, oder doch zumindest ein Tiroler, so geht man heute davon aus, dass seine familiären Ursprünge in Landsberg am Lech in Oberbayern liegen. Schon sein Familienname war damals in Tirol unbekannt. Außerdem trat er 1472 im ebenfalls nördlich von Tirol gelegenen Füssen als Bürger in Erscheinung. Einige Jahre später taucht er dann in Sterzing auf, um schließlich ab 1479 in Meran tätig zu sein. In einem Meraner Gerichtsbuch zwei Jahre zuvor wird er noch als „burger zu Stertzingen“ aufgeführt, als es darum ging, einen des Diebstahls bezichtigen Hutmacher aus seiner Zunft auszuschließen. Auf das Bürgerrecht in Meran musste Schnatterpeck wohl einige Zeit warten, da dies erst für 1492 verbürgt ist. Ab Ende des 15. Jahrhunderts sind Dokumente bekannt, die seine Mitgliedschaft im Stadtrat belegen. Ein durchaus beachtlicher Aufstieg für einen Fremden, weshalb lange Zeit gemutmaßt wurde, er sei doch in der Passerstadt geboren. Sicher ist jedoch, dass er damals der führende Maler und Werkstätteninhaber in der ehemaligen Tiroler Landeshauptstadt war. Mehrere Gesellen sind namentlich bekannt. Wo und bei wem er selbst seine künstlerische Ausbildung erhalten hat, lässt sich nicht abschließend klären. Schnatterpeck war mit einer Barbara aus Hafling verheiratet. Auch ein gleichnamiger Sohn, der um 1540 im Meraner Spital eingepfründet wurde, lässt sich nachweisen. Wann er verstorben ist, wurde nicht aufgezeichnet. Seine Spuren verlieren sich um 1510 im Vinschgau.
Ein Meisterwerk
Die 1492 geweihte Pfarrkirche von Niederlana sollte einen Hochaltar erhalten. Als der Baumeister Konrad Haug zusammen mit dem Kirchpropst Peter Saltner, beide aus Lana, am 18. August 1503 mit Schnatterpeck einen Vertrag abschlossen, konnte sich der eingesetzte Betrag sehen lassen. Ganze 1.600 rheinische Gulden, eine ansehnliche Summe, sollte er erhalten, um in einem Zeitraum von acht Jahren „ain schöene newe artige wol formyrte Tafl mit gutem reinem ducatn golde vergüldt“ zu schaffen. Für keinen anderen gotischen Flügelaltar wurde in Tirol mehr bezahlt. Die Lanaer konnten sich dies leisten und finanzierten ihn vorwiegend mittels Wein. Planung und Vorzeichnungen des 14 m hohen Kunstwerks mit über 80 Figuren lagen in den Händen von Schnatterpeck selbst, für die Statuen und Reliefs standen seine Gesellen zur Verfügung, sowie der Maler Hans Schäufelin für die Gemälde an den Flügelaußenseiten des Triptychons. Der Schnatterpeck-Altar ist das einzige Werk, das mit Sicherheit seiner Werkstätte zugeordnet werden kann. Für alle anderen ihm zugeschriebenen Arbeiten – zum Beispiel in Laatsch, Schenna, Meran oder Brixen – sprechen lediglich stilistische Überlegungen. Signaturen oder Dokumente, die dies eindeutig belegen, gibt es keine. Auch hier: viel Unsicherheit.
Christian Zelger