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Die Macht des Herrn Pfennig

Groß und ausladend ist sie nicht, die Von-Vintler-Straße in Partschins. Im Gegensatz zum literarischen Werk eines berühmten Vertreters dieser Familie. Die Verbindung zum Dorf ist einleuchtend. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts lebten hier Verwandte des bekannten Dichters.

Hans Vintler, geboren im 14. Jahrhundert, war ein Tiroler Amtmann, außerdem Botschafter im oberitalienischen Raum sowie Schriftsteller. Er war ein Zeitgenosse des Oswald von Wolkenstein, ebenfalls Dichter und Politiker. Die Zeiten damals waren, wie so oft, Zeiten des Umbruchs und damit schwierig. Unruhen und Kriege belasteten das Land, soziale und religiöse Spannungen trugen das ihre dazu bei. Habsburger, Wittelsbacher und Luxemburger konkurrierten und drei Päpste regierten zeitgleich. Das wissen die Geschichtsschreiber zu berichten. Auch Hans II., dritter Sohn des Hans, hat Spuren hinterlassen. Wir wissen, dass er des Italienischen mächtig war, was aus seiner beruflichen Tätigkeit hervorgeht. Verheiratet war er mit Dorothea von Hauenstein, der Tochter des herzoglichen Münzmeisters von Meran. Sie brachte 2.400 Dukaten mit in die Ehe, die kinderlos blieb.

Der Nachname Vintler deutet auf den Ort Vintl im Pustertal hin, aus dem die Familie ursprünglich stammen dürfte. Historisch eindeutig lässt sich dies zwar nicht belegen, bemerkenswert ist jedoch, dass das erst im 20. Jahrhundert eingeführte Gemeindewappen Vintls zwei weiße Bärentatzen führt – entnommen aus dem Stammwappen der Familie. Ging man ursprünglich davon aus, dass die Vintler bereits im 11. Jahrhundert urkundlich erwähnt werden, gilt dies heute als überholt. Tatsächlich liegen die sicheren Anfänge zweihundert Jahre später in Bozen. Der Aufstieg der bürgerlichen Familie begann dann im 14. Jahrhundert mit Hans‘ Onkel Niklaus. Mit kaum zwanzig Jahren wurde er historischer Zeuge der Übergabe Tirols durch Margarethe „Maultasch“ an ihren Habsburger Verwandten Rudolf IV. Die Vintler waren durch kaufmännisches Geschick und Voraussicht rasch zu Reichtum gekommen. Sie besaßen mehrere Häuser in Bozen und bekleideten, obwohl nicht adlig, wichtige Ämter. 1385 erwarb Niklaus zusammen mit seinem Bruder Franz die „Bilderburg“ Schloss Runkelstein. Doch zurück zu seinem Neffen Hans.

1411 vollendete dieser auf dem Schloss mit dem größten profanen Freskenzyklus des Mittelalters ein umfangreiches Manuskript, die „Pluemen der Tugent“. Es handelt sich dabei um eine gereimte Übersetzung des italienischen Lehrgedichts „Fiore di virtù“, etwa 90 Jahre zuvor verfasst von dem Benediktiner-Mönch Tommaso Gozzadini aus Bologna. Vintler beließ es aber nicht bei einer Übertragung in die deutsche Sprache. Er verließ den Originaltext und fügte eigene Passagen hinzu, am Ende waren es 10.172 Verse. Damit übertraf er an Umfang die Dichtung Oswalds von Wolkenstein. Im ersten der beiden Hauptteile geht Vintler sehr strukturiert und einheitlich vor: Zunächst stellt er jeweils eine Tugend mit dem entsprechenden Laster vor, dann folgt ein Vergleich mit einem Tier, ergänzt seine Ausführungen mit Zitaten antiker Autoren, aus deutschen und italienischen Texten und der Bibel, schließlich werden Erzählungen eingefügt, die das Vorhergehende durch Beispiele anschaulicher machen und zudem Unterhaltungscharakter besitzen. Er beendet diesen ersten Abschnitt mit seinen Ausführungen über die Mäßigung, die er für die Haupttugend schlechthin hält.

Mit den „Pluemen“ war ein Tugend- und Lasterkatalog der spätmittelalterlichen Gesellschaft entstanden: Streit, Spott und Hohn werden darin genauso kritisiert, wie übertriebener Luxus, der Glaube an Hexen, die allgegenwärtige Spielsucht und die unbändige Gier nach Profit – die Macht des Herrn Pfennig. Acht Jahre nach Vollendung seines Werkes und von König Sigismund mit gebessertem Wappen ausgestattet stirbt Hans Vintler um 1419. Christian Zelger