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Beruf oder Leidenschaft?

Der Förster und leidenschaftliche Ziegenzüchter Philipp Bertagnolli aus Lana
Die Führung und Beaufsichtigung von Tieren im Almgebiet hat in Südtirol eine sehr lange Tradition. Aufgrund der landwirtschaftlichen Modernisierung und der heutigen schnelllebigen Gesellschaft war diese Tradition fast schon in Vergessenheit geraten, doch ein veränderter Umgang mit der Natur und die Rückkehr der großen Beutegreifer haben ein Umdenken bewirkt.

Herr Bertagnolli, seit wann halten Sie Ziegen?
Ich hatte immer schon einen besonderen Bezug zu Tieren, zur Natur und zur Landschaft. Seit 20 Jahren bin ich Mitglied eines Tierzuchtvereines, wodurch sich auch die Beschäftigung mit der Ziegen­aufzucht ergeben hat. Sich bei Ausstellungen mit anderen Züchtern zu messen, das ist meine Motivation. Die Ziege ist ein faszinierendes Haustier, sie ist wissbegierig und sehr schlau.

Wie viele Ziegen besitzen Sie? Verkaufen Sie Ziegenprodukte und lohnt es sich finanziell? 
Ich besitze 40 Gebirgsziegen und verkaufe Ziegenfleisch, Würste und zu Ostern die Kitze. Zudem verkaufe ich ab und zu auch einige meiner Ziegen an andere Züchter. Ich bin Hobbyzüchter. Als Nebenerwerbsquelle eignet sich diese Arbeit jedoch nicht, da die Kosten größer sind als der Verdienst. Die Beschäftigung mit den Tieren erfordert täglichen Einsatz und die Herausforderungen werden immer größer, vor allem die Futtermittel sind in der letzten Zeit viel teurer geworden. Ich hänge an meinen Tieren und habe einige Zuchterfolge aufzuweisen. Ganz wichtig ist mir, dass meine Kinder mit den Tieren aufwachsen und dabei ein Verantwortungsgefühl entwickeln und eine sinnvolle Beschäftigung haben.

Was muss man mitbringen, um Ziegen zu halten?
Wichtig sind die Freude und die Erfahrung im Umgang mit den Tieren.

Wie groß ist der Arbeitsaufwand?
Der Arbeitsaufwand ist riesig, wenn man bedenkt, dass es sich in meinem Fall um ein Hobby handelt. Die Tiere müssen von November bis Mai täglich versorgt werden. Außerdem braucht es einen Stall und viel Platz für die Tiere und das Futter.

Lassen Sie uns noch kurz über den Wolf reden. Seine Anwesenheit stellt Weideviehhalter und Hirten vor große Belastungen sowie vor logistische, finanzielle und emotionale Herausforderungen. Wie kann man sich und die Herde gegen Wildtiere schützen?
Die Rückkehr von Wolf und Bär ist ein großes Problem und stellt die Alm- und Weidewirtschaft vor zusätzliche Herausforderungen. Ich bin seit 19 Jahren Förster und mit dem Thema einigermaßen vertraut. Der Wolf ist den ganzen Tag unterwegs und verzeiht keine Fehler. Meiner Meinung nach braucht es ein entschiedenes Handeln seitens der Politik sowie einen Managementplan, der auch die Entnahme von Problemtieren vorsieht. Die Wölfe müssen ihre ursprüngliche Scheu zurückgewinnen und lernen, mit ihren natürlichen Nahrungsressourcen auszukommen. Das Thema wird allerdings oft rein emotional und weniger sachlich diskutiert.

Können Mensch und Wolf nebeneinander leben?
Ich bin der Ansicht, dass ein Zusammenleben in unserer Kulturlandschaft mit den kleinen landwirtschaftlichen Betrieben sehr schwierig ist. Der Wolf muss jedenfalls in seine Schranken gewiesen werden. Mittlerweile gibt es bei uns eine beträchtliche Wolfs­population, die immer größer wird. Letztes Jahr hat man in den italienischen Alpen über 1000 Wölfe gezählt, allein im Trentino gab es 26 bestätigte Rudel, die sich vor allem in den Grenz­gebieten aufhalten. Problematisch ist, dass man vom Wolf erst dann etwas merkt, wenn der Schaden bereits angerichtet ist.

Eine Letzte Frage: Ist das Halten von Ziegen ein Beruf oder eine Berufung?
Für mich ist es eine Berufung. Die Tatsache, dass es in den Zuchtvereinen mittlerweile auch sehr viele junge Kollegen gibt, sehe ich sehr positiv. Wie schon gesagt, für mich ist es eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und genauso wichtig ist der ständige und direkte Kontakt mit der Natur.